Im Oktober 1973 eröffnet, gibt das Scharoun Theater seit 45 Jahren der Stadt Wolfsburg einen wichtigen Teil ihrer Identität, als ein Treffpunkt für alle Schichten und Altersgruppen. Es ist eines der fünf größten Gastspielhäuser im deutschsprachigen Raum. Ein Auftritt auf dieser Bühne ist die Visitenkarte für Künstler.
Unter vielen namenhaften Architekten gewann Hans Scharouns Vorschlag
Der Wunsch nach einem Theater saß viele Jahre tief in den Herzen der Wolfsburger. Bereits 1954 gründete sich der Kulturring Wolfsburg, später Theaterring, unter der Führung von Oberstadtdirektor Dr. Hesse. Vier Jahre später zählte dieser bereits fast 1000 Abonnenten. Seit der Gründung des Kulturrings existierten Pläne für den Bau eines Theaters. Zunächst sollte das Gebäude dort errichtet werden, wo heute das Kunstmuseum steht. Als die Stadt im Februar 1965 den Architektenwettbewerb ausschrieb, hatte man sich auf das Grundstück am Hang des Klieversbergs geeinigt. Unter vielen namenhaften Architekten wie Alvar Aalto und Jörn Utzon (Opernhaus in Sydney) gewann Hans Scharouns Vorschlag. Der Bremer wurde mit seinem Entwurf für die Berliner Philharmonie berühmt. Doch nach dem Spatenstich 1969 sorgte eine Wirtschaftskrise für Geldmangel und der Entwurf musste angepasst werden. So entfiel das vorgelagerte Theatercafé und die in den Hang gesetzte Freilichtbühne. Dennoch eröffnete, mit einem Aufwand von 24,8 Millionen DM, das heute unter Denkmalschutz stehende, nach 45 Jahren immer noch moderne, Gebäude von Hans Scharoun. Als Betreiber wurde die „Theater der Stadt Wolfsburg GmbH“ gegründet. Gesellschafter sind die Stadt, die Volkswagen AG und der Theaterring. Nach der zwei Jahre andauernden, von Bundesmitteln bezuschussten Sanierung in Höhe von 32 Millionen Euro, beschloss der Aufsichtsrat im Februar 2017 die Umbenennung in „Scharoun Theater“.
Ein Drittel des Programms ist Kindern und Jugendlichen gewidmet
Das Scharoun Theater war von Beginn an als Gastspielhaus konzipiert. Man wollte mir der Tradition der Häuser aus den Nachbarstädten mit festen Ensembles brechen und somit eine große Vielfalt im Programm gewährleisten. Tatsächlich bietet das Wolfsburger Theater Vorstellungen aus jedem Genre, sowohl aus Musik als auch Schauspiel, von Ballett, über Konzerte bis hin zu Lesungen. Ein Drittel des Programms, das ca. 250 Veranstaltungen umfasst, ist Kindern und Jugendlichen gewidmet. Darunter das traditionsreiche Wintermärchen, welches eine von zwei bis drei Eigenproduktionen des Hauses pro Jahr ist. Bereits in den 70ern startete diese Tradition. Unter der Führung des Intendanten Hans Thoenies (1991-2008) wurde das Wintermärchen professionalisiert. Die Bemalung des Vorhangs und der Plakatwettbewerb erhielten Einzug. Allerdings verzichtete man fortan auf die Beteiligung von Kindern auf der Bühne, da man ihnen die drei Auftritte pro Tag nicht zumuten konnte. „Mindestens ein Jahr, eher eineinhalb, im Voraus steht bereits fest, welches Märchen wir produzieren möchten.“, erzählt Rainer Steinkamp, seit 2008 Intendant des Scharoun Theaters. „Wir wählen bei Theaterverlagen die Fassung des gewünschten Märchens, die uns am meisten anspricht. Dann werden die Schauspieler gecastet, das Bühnenbild besprochen, der hauseigene Tischler beauftragt, evtl. ein Komponist hinzugezogen.“ Im Oktober ziehen die Schauspieler in Wolfsburg ein, proben vier bis sechs Wochen lang und treten für etwa vier Wochen bis zu drei Mal täglich auf. „In dieser Zeit wächst man richtig zusammen.“, erzählt Marita Stolz, Pressesprecherin des Hauses. Unter Steinkamps Führung wurde der Bereich Kinder- und Jugendtheater mit heute zwei Theaterpädagogen deutlich ausgeweitet, Partnerverträge mit Schulen und Kitas aus Wolfsburg geschlossen. Man ermöglicht ihnen zugeschnittene Veranstaltungen, indem man in einem regelmäßigen Austausch auf die Wünsche der Bildungshäuser eingeht und mit ihren Theaterpädagogen eng zusammenarbeitet. Eine weitere wichtige Kooperation besteht mit dem Kulturzentrum Hallenbad. Um die 50 Veranstaltungen aus dem Kinder- und Jugendbereich finden pro Spielzeit in den Räumlichkeiten am Schachtweg statt.
Das Scharoun Theater strahlt weit über die Stadtgrenzen hinaus
Doch viele Auftritte werden erst durch die Maße und Möglichkeiten auf der großen Bühne ermöglicht. Beispielsweise benötigt eine Ballett-Compagnie eine gewisse Menge an Metern für ihre Figuren und eine große Oper eine entsprechende Anzahl an Plätzen für das Orchester im Orchestergraben. „In der Wahrnehmung des Dachverbandes für Gastspieltheater, genannt Inthega, sind wir ein wichtiges Haus. Es gilt als eine Visitenkarte, auf unserer Bühne aufzutreten.“, so Steinkamp. Das Scharoun Theater strahlt weit über die Stadtgrenzen hinaus. Nicht nur überregionale, sondern auch internationale Gäste zieht es an. Diese Aufmerksamkeit gilt neben dem Angebot auf der Bühne ebenso dem Gebäude selbst, als ein Denkmal, von Hans Scharoun entworfen, der 1972 verstarb und die Eröffnung nicht mehr erleben konnte. „Eine Stadt ist erst eine Stadt, wenn sie ein Theater hat.“, sagte Heinz W. Sabis, damals Vorsitzender des Deutschen Städtetags. Dieses Theater wurde nie in Frage gestellt. Die Stadt steht fest dahinter. Es ist ein sozialer Ort, ein Treffpunkt für alle und befriedigt das Ur-Bedürfnis der Menschen, sich Geschichten zu erzählen. Im Idealfall erzählt das Theater nicht nur eine Geschichte, sondern bewirkt auch nachhaltig etwas in den Menschen. Es ist ein Ort, wo sich die Menschen mit ihren Wünschen und Träumen, aber auch brisanten Themen auseinandersetzen können.“, sagt Rainer Steinkamp.