Den Gegner im Auge, die Trainerstimme im Ohr

Kickboxen beim AKBC Wolfsburg

Jeder hat sicher schon einmal Kickboxen gesehen. Vielleicht nur am Fernseher oder in Berichten der Tageszeitungen. Wir wollten wissen, wie es sich für den Sportler anfühlt, wo er trainiert und was alles Drumherum passiert, ohne, dass wir es als Zuschauer wahrnehmen. Ich lerne Weltmeister Artur Reis mitten in der Wettkampfvorbereitung kurz vor seinem WM-Kampf kennen. Beim Training hautnah und ehrgeizig, denn er möchte antreten, um den Titel ein zweites Mal zu gewinnen.

Der Verein: Amateur-Kick-Box Club e.V. (AKBC)

Der Cheftrainer und Gründer des Amateur-Kick-Box Club e.V. (AKBC) ist Antonino Spatola. Von Bruce Lee inspiriert, lernte Antonino das Boxen in seiner Heimat Italien kennen. Dort hatte er seine Berufsausbildung beendet und stand nun am Bahnhof vor der Wahl den Zug Richtung Zuhause nach Sizilien oder nach Deutschland zu nehmen. Er entschied sich für Deutschland und landete so in Wolfsburg. Hier lernte er als Sechszehnjähriger seine große Liebe kennen und baute sich sein Leben auf. Das Kickboxen durfte natürlich nicht fehlen. Er selbst wurde 1981 Europameister, ist ehemaliger WAKO-Bundestrainer (1990 – 2002) und Träger des 7. Dan im Kickboxen. Das ist die höchste Auszeichnung im Kickboxen. Er zählte in den 90ern zu den Mitbegründern des Deutschen Kickbox-Verbandes und gründete 1993 seinen eigenen Verein in Wolfsburg. Aus diesem sind seitdem Weltmeister und Olympiateilnehmer hervorgegangen. Seine Leidenschaft für diese Sportart übertrug sich auch auf seinen Sohn Antony Spatola, der 1995 in Stuttgart als erster Europäer Weltmeister in der Disziplin Formen wurde. Antony wurde in seiner Karriere insgesamt dreimal Europameister und zweimal Weltmeister, er besitzt den 4. Dan im Kickboxen und unterstützt seit ca. 20 Jahren seinen Vater bei der Vereinsarbeit im Vorstand, als Trainer in der Trainingsstätte und in der Organisation auf Vereins- und Landesverbandsebene.

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Das Training in der IGS Westhagen

Als ich den Trainingsraum der Kickboxer des AKBC Wolfsburg in der IGS Westhagen betrete, höre ich laute Musik und rieche Schweiß. So gehört sich das auch, denke ich, und habe schon mal Respekt vor den Sportlern, die vor mir ihre Übungen trainieren.

Ich habe mich mit Antony Spatola verabredet, der sich über mein Interesse am Kickboxen freut. „Kickboxen ist mehr als nur der Wettkampf“, erklärt er begeistert. Es geht im Training darum, alle Muskelgruppen des Körpers zu trainieren, sich fit zu machen. Ein Kickboxer benötigt nicht nur starke Arme und Beine, sondern auch eine gut ausgebildete Rumpfmuskulatur. So wird grundsätzlich ein ganzheitliches Training durchgeführt. Dadurch ist Kickboxen ebenfalls interessant für Breitensportler und inzwischen auch für Frauen. Der AKBC bietet einmal wöchentlich ein Training nur für Frauen an, das bereits in kürzester Zeit sehr gut besucht war. „Einigen ist einmal die Woche nicht genug und so halten sie sich zusätzlich an anderen Trainingstagen gemeinsam mit den Männern fit“, zeigt sich Spatola begeistert von den Frauen. Das Training ist unterteilt in Warm-up, anaeroben Training, Taktik & Technik, Ausdauer, Schnellkraft und Cool-Down.

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Ein Training dauert 1,5 – 2 Stunden – denn Antonino trainiert gern mal ein bisschen länger. Der AKBC ist besonders in der Jugendarbeit aktiv. Hier geht es um das Erlernen von Techniken zur Selbstverteidigung und somit um die Entwicklung des Selbstbewusstseins der jungen Sportler. Ebenso ist die Gewaltprävention und Integration in der Jugendarbeit ein wichtiges Thema, das der Sport füllen kann.

Der Ursprung des Kickboxens

Die noch junge Sportart Kickboxen der WAKO hat amerikanisch-deutsche Wurzeln und wurde in Deutschland von Mike Anderson (stationierter US-Soldat) und vom Berliner Georg Brückner als „Kickboxvater“ geprägt. Das Kickboxen, oder besser gesagt das „Sportkarate“ bzw. „All-Style-Karate“ wurde in den 70er-Jahren aus verschiedenen Kampfsportarten geformt, um alle Kämpfer in einem neuen Wettkampfsystem mit vollem Kontakt untereinander messen zu können. So stammen die Boxtechniken aus dem klassischen Boxen und die Kicktechniken aus dem traditionellen Karate, Taekwondo und Kung-Fu. Der Begriff „Kickboxen“ wurde erst in den 80ern von Journalisten treffend beschrieben und geprägt. Die neu entstandene Disziplin entwickelte sich schnell weiter. Unabhängig von der Entwicklung der Kickboxsportorganisation im Amerikanisch-Europäischen Raum hat sich das Kickboxen mit low-kicks in Japan nahezu zeitgleich entwickelt und ist heute als K1 Weltverband bekannt. Die Sicherheitsstandards im Kickboxen retteten mit den neu entwickelten Boxhandschuhen sogar die klassischen Boxer vor dem Olympia-Aus. Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona 1996 in Atlanta und im Jahre 2000 in Sydney war Georg Brückner als Entwickler von Kampfsportausrüstung mit Kopfschutz und Boxhandschuhen seiner Marke TOP TEN offizieller Ausrüster des Boxturniers. Vorausgegangen waren Untersuchungen des Weltverbandes für Amateurboxen, AIBA, der unter Druck des IOC und der Ärztekommissionen stand und der im Einsatz von Brückners Kopfschützern und Handschuhen eine der wenigen Chancen sah, den Boxsport sicher zu gestalten und somit im Olympischen Programm zu behalten. Bei den Kickbox-Kämpfen der Amateure geht diese getreu dem Motto „safety first“ vor und so tragen die Sportler neben den Boxhandschuhen, Kopfschutz, Tiefschutz und Fußschoner.

Der Wettkampf

Wie fühlt es sich für den Sportler an in den Ring zu treten und seinem Gegner gegenüber zu stehen? Das fragte ich auch auch Artur Reis eine Woche vor seinem WM-Kampf.

Der Wettkampftag ist da. Schon vorher bin ich aufgeregt – und heiß auf den Kampf. Ich bin gespannt und will es wissen. Als ich die Halle betrete, höre ich die Zuschauer jubeln. Sehe und höre meine Freunde und Familie, die mitgereist sind. Ich betrete den Ring. Dann sehe ich nur noch ihn. Meinen Gegner. Der Tunnelblick setzt ein und mein Fokus liegt allein auf ihm. Die Zuschauer sind nicht mehr da. Nur er und ich. Und mein Trainer. Den Gegner im Auge, die Trainerstimme im Ohr. Schlag auf Schlag. Ausweichen – kontern. Runde um Runde – alles geben. Und dann habe ich gewonnen. Ein unbeschreibliches Gefühl kommt in mir auf. Eine Mischung aus Stolz und Erschöpfung. Jetzt weiß ich wofür ich so hart gearbeitet, mich gequält und gehungert habe. Es hat sich alles gelohnt. Mein Puls ist immer noch auf 180, mein Trainer nimmt mich am Arm und sagt „Gut gemacht, Artur.“

Artur ist bereits 2013 einmal Weltmeister geworden und hat sich am 30.05.2015 den Weltmeister-Titel im Kampf gegen den Franzosen Mehdi Lacombe zurückgeholt.

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Fazit

Ich verlasse nach zwei Stunden Training die Trainingshalle beeindruckt vom Können der Sportler und überzeugt davon, dass die Trainer hier ganz genau wissen, wie sie ihre Sportler im Kickboxen, aber auch als Menschen in ihrer Entwicklung weiterbringen können. Ich könnte mir sogar vorstellen selbst mal ein paar Boxhandschuhe anzuziehen und den tagtäglichen Stress an einem Boxsack rauszulassen.

Über die Autorin

Stefanie Greite begann mit acht Jahren mit dem Eiskunstlaufen und wechselte drei Jahre später zum Rollkunstlaufen. Mit 14 Jahren begann sie zusätzlich mit dem Rollkunst-Formationslaufen. Die Wolfsburgerin feierte mit dem Dream Team zahlreiche Erfolge, u.a. 4x Weltmeister (1999 – 2002), das Silberne Lorbeerblatt (2002) und aktuell den Europameistertitel 2015. Mit 18 Jahren begann sie zusätzlich den Nachwuchs zu trainieren und baute 2001 die Abteilung Rollkunstlauf im VfL Wolfsburg e.V. wieder auf. Angefangen mit zwei Nachwuchsläuferinnen wuchs die Abteilung bis heute auf 50 junge Talente an.

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Der AKBC Wolfsburg e.V. bietet Training im Jugend- und Erwachsenenbereich sowie einmal in der Woche speziell für Frauen an. Das Training ist sowohl etwas für Breitensportler als auch für ehrgeizige Wettkampfsportler. Die Trainingsstätte des AKBC ist der erste, bundesweit anerkannte und offizielle LSB-Landesstützpunkt für Kickboxen. Spatolas haben für Niedersachsen in Kooperation mit dem Olympiastützpunkt Hannover eine anerkannte Übungsleiter C-Lizenz für das Profil Kickboxen erarbeitet und bilden in Wolfsburg über den Landesverband NSKBV neue Übungsleiter/Innen für Niedersächsische und Bremer Vereine aus.

Überdies ist der AKBC sehr engagiert beim Thema Integration und hat vergangenen Monat als erster Sportverein im Wolfsburger Raum ein einjähriges Projekt mit einem Sportangebot für Flüchtlinge der Westhagener Unterkunft gestartet.
Was die wenigsten wissen: Mit Antonino und Antony Spatola hat Wolfsburg gleich zwei Mitglieder der „hall of fame“ (Ruhmeshalle) vom Dachverband.

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