Es riecht säuerlich in der Backstube der Bäckerei Kutzner. Das liegt an der Spezialität: dem selbstgemachten Drei-Stufen-Sauerteig. Großvater Karl setzte den Teig an, seitdem reift er, Tag für Tag, um immer wieder zu leckeren Roggenbroten und -brötchen verarbeitet zu werden. Er ist es auch, der gewissermaßen das Leben von Bäckermeister Werner Kutzner bestimmt.
Qualität statt Quantität
Ab zwei Uhr morgens öffnet er die Backstube in der Westerbreite 45. Dann bereiten er und sein Geselle Markus Sander als erstes den Brötchenteig vor. Die beiden sind seit 25 Jahren ein eingespieltes Team. In dem kleinen Familienbetrieb geht es nicht um Quantität, sondern um Qualität. Bis auf die großen Rührmaschinen, die den Teig kneten, wird alles mit der Hand gemacht. Ein körperlich anstrengender Beruf, der viel Wissen über Rohstoffe, Zutaten, Rezepte, chemische, biologische und technische Prozesse erfordert. Außerdem ist ein Gespür für die Wünsche der Kunden ebenso wichtig wie die Erfahrung beim Backen. „Die gibt einem niemand mit, die muss man sich selbst im Laufe der Jahre erarbeiten. Natürlich geht da auch mal was schief.“, sagt Werner Kutzner, der sein Wissen viele Jahre als Ausbilder und Lehrprüfer an die Jugend weitergab. „Ich wusste selbst lange nicht, was ich eigentlich beruflich machen soll. Ich habe viel ausprobiert, und bin dann doch 1976 in den elterlichen Betrieb eingestiegen und habe eine Bäckerlehre gemacht. Seitdem mache ich diesen Beruf voller Leidenschaft.“
Drei Generationen in der Backstube
Die Familie Kutzner hat schlesische Wurzeln. Werners Großvater Karl hatte schon eine Bäckerei. Auch Werner Kutzners Vater Ewald war Bäckermeister. Und als Werner einstieg, standen sogar für kurze Zeit drei Generationen in der Backstube des Familienbetriebs. Auch Werners Frau Mechthild ist ein wichtiger Teil des heute fünfköpfigen Teams. Sie ist neben zwei Teilzeitkräften ab 6 Uhr morgens für den Verkauf im angrenzenden Laden zuständig. Produziert wird zwischen zwei und sechs Uhr: innerhalb einer Woche bis zu 16 Sorten Brötchen und bis zu 15 Sorten Brot. Die Brote gibt es aber aufgrund der längeren Backzeiten zum Teil erst ab halb acht Uhr zu kaufen. „Unsere Stammkunden wissen das und kommen entsprechend später, das ist kein Problem.“, sagt Mechthild Kutzner, die kommunikative Seele der Bäckerei. Für das Tagesgeschäft setzen Werner Kutzner und sein Geselle mit viel Überblick parallel verschiedene Teige an, stäuben unzählige Formen mit Mehl aus, formen die Teige und verzieren das Gebäck. Ein bisschen scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein, denn die wuchtigen Maschinen sind zum Teil schon 25 bis 65 Jahre alt, auch die, die auf das Mehl–Silo im Keller zugreift, und die Waagen. Computer gibt es hier nicht. Die Tagesliste wird mit dem Stift abgehakt, die Schiebezeiten für den Ofen auf der Schiefertafel direkt daneben mit Kreide aufgeschrieben. „So hat mein Großvater das schon gemacht“, sagt Werner Kutzner, „das hat sich bewährt, warum sollte ich es ändern?“. Während die Brötchenteiglinge im großen Ofen sind, geht es munter weiter in der Backstube: Brote mit Ei besprühen, Gebäck mit Schokolade verzieren, die Puddingcreme für die „Schillerlocken“ ansetzen, einer Süßgebäck-Spezialität. Diese Arbeiten macht vor allem Geselle Markus Sander. „Ich liebe es, wenn ich nach getaner Arbeit sehen kann, was ich gemacht habe.“, sagt er stolz. Trotz der anstrengenden Woche und trotz der vergleichsweise geringen Bezahlung. Für Bäckermeister Werner Kutzner hat die Arbeitswoche locker 65 bis 70 Stunden. Ist er aus der Backstube raus, muss der Rohstoffeinkauf geplant und die Buchhaltung gemacht werden. Freizeit bleibt da kaum und auch die Spezialität des Hauses, der eingangs erwähnte 3-Stufen-Sauerteig, will, dass Werner Kutzner sich ständig um ihn kümmert. „Man muss seinen Beruf schon lieben, um jeden Morgen wieder motiviert in die Backstube zu gehen.“.
Ausgezeichnet
Die Bäckerei Kutzner ist insgesamt schon drei Mal von der Zeitschrift „Der Feinschmecker“ als eine der besten Bäckereien Deutschlands ausgezeichnet worden. Mechthild Kutzner sieht den Erfolg der Bäckerei vor allem darin begründet, dass es noch genügend Kunden gibt, die die Handwerkskunst und die Qualität ihrer Backwaren zu schätzen wissen. Dazu kommt der persönliche Plausch beim Einkauf. Sonderbestellungen werden auch gerne umgesetzt, wie z. B. das „FLOW WOLF-Brot“, das Werner Kutzner extra für unser Magazin backte. Sonnabends kommen viele Kunden extra von weit her, um hier ihre frischen Brötchen zu kaufen. Zur Auswahl stehen 22 verschiedene Brötchensorten, darunter neben den Klassikern auch Dinkel-Müsli-Brötchen, Zimtbrötchen oder Sauerteig-Zwillinge. Und aus familiärer Tradition heraus gibt es den „schlesischen Mohnkuchen“, der nach einem geheimen Rezept gebacken wird. Was übrig bleibt, spenden die Kutzners an die Wolfsburger Tafel oder ans Carpe Diem. Aber wie wird es zukünftig weitergehen? „65-jähriges Jubiläum zu feiern, ist ja schon eine großartige Leistung!“ findet Werner Kutzner zu Recht. Sein Traum? „Noch ein paar Jahre, dann möchten wir die Bäckerei verkaufen.“ Mit Geselle Markus an seiner Seite, kann er das schaffen. Die Bäckerei Kutzner kämpft ums Überleben gegen die Discounter. „Aber solange ich hier noch das Bäcker-Handwerk ausübe, wird hier auch alles weiterhin in Handarbeit gemacht werden.“.