Der Stadtbaurat für Stadtplanung Kai-Uwe Hirschheide hat FLOW WOLF einen Einblick in die Zukunftsvisionen der Stadtplanung Wolfsburgs gewährt. In seinem neuen Amt steht er vor einer großen Wohn-Bauoffensive: Mindestens 6.000 neue Wohnungen sollen bis 2020 entstehen – diese großen Baumaßnahmen hatte sich Wolfsburg 2012 zum Ziel gesetzt.
Menschen an Wolfsburg binden
„Wir wollen Menschen an Wolfsburg binden und ihre Motivation stärken, hierher zu ziehen anstatt hin und her zu pendeln“, fasst Hirschheide das Ziel des Wohnen & Bauen Masterplans 2020 zusammen. Der Großteil der neuen Wohnungen werden im östlichen Stadtgebiet entstehen, in den Baugebieten Hellwinkel Terrassen (etwa 750 Wohnungen), Steimker Gärten (1.250) und Nordsteimke/Hehlingen (ca. 3.000 ). Darüber hinaus werden im Stadtgebiet mehrere Baulücken und wenig genutzte Flächen geschlossen bzw. bebaut. „Strukturell ist Wolfsburg dazu in der Lage, zu wachsen. Es gibt einige Freiflächen und hohes Baupotential“, setzt der neue Stadtbaurat fort.
Transparente Stadtplanung
Eine große Herausforderung ist es, dabei sowohl wirtschaftlich, sozial und ökologisch wie auch fortschrittlich und ästhetisch vorzugehen. Mitwirkende gibt es hier viele: Neuland, Volkswagen Immobilien und private Investoren beteiligen sich neben der Stadt und auch die Bürger nehmen an partizipativen Prozessen teil. Die Stadtplanung geht heute kaum ohne die „Betroffenen“. Diese Kehrseite erkennt auch Hirschheide: „Veränderungen sind nicht immer einfach für die Bürger, die sich schon jahrzehntelang in ihrem gewohnten Umfeld wohlgefühlt haben. Es wird viel Wert darauf gelegt, dass die Bürger durch Transparenz und Vermittlung in die Bauprozesse miteinbezogen werden.“
Ökologische Ansprüche in Wolfsburg
Derzeit entfallen auf den Bau und den Betrieb von Gebäuden 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und fast 60 Prozent des anfallenden Mülls. Aber nicht in Wolfsburg. Die Bauvorhaben der Stadt haben das Interesse des Fachpublikums geweckt, nicht nur wegen ihrer Qualität, sondern auch wegen ihrer ökologischen Ansprüche. Die Hellwinkel Terrassen sind ein Paradebeispiel dafür. Dort werden mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt innovative Ansätze für die Entwicklung und Umsetzung von Neubau-Stadtquartieren erprobt. Besonders beachtet werden dabei der ganzheitliche Ansatz und die Energie-Effizienz. „Es wird zum Beispiel genau gemessen, wo der Wind herkommt oder wie die Sonnenstrahlung auf die Auskühlung wirkt“, erläutert Hirschheide. Die in Wolfsburg entwickelten Methoden und Werkzeuge sollen später auf vergleichbare Vorhaben im ganzen Bundesgebiet übertragen werden.
Verkehr und Infrastruktur sollen nachhaltig gestaltet werden, um mit dem Wandel Schritt zu halten. Konkret hat sich die Stadt zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen im Stadtgebiet bis 2020 um 20 % gegenüber dem Jahr 2000 zu reduzieren. Daher werden „Alternative Grüne Routen“ und der öffentliche Nahverkehr künftig eine attraktive Option zum eigenen Auto bieten. Für den Bereich zwischen der Reislinger Straße und Nordsteimke steht der Verlauf der Route bereits fest. Mit einer eigenen Spur können die öffentlichen Verkehrsmittel dort Bewohner und Pendler schnell am Stau vorbei in die Innenstadt bringen. Die 80.000 Pendler können künftig zu Park-and-Ride-Parkplätzen am Stadtrand fahren, wo sie ihre Autos abstellen und auf der Überholspur mit Bus oder Bahn schnell und komfortabel in die Stadt kommen. Die zukünftigen Verkehrslösungen beeinflussen auch die Stadtplanung. „Die neuen Wohnbaugebiete befinden sich innenstadtnah. Die Einwohner werden die Strecken nicht nur mit dem eigenen Auto fahren wollen. Daher werden die Parkplätze darauf ausgerichtet und die Infrastruktur wird auf das Aufkommen der Elektroautos vorbereitet.“
Bildungshaus ist noch Zukunftsmusik
Die Urbanität steckt in Wolfsburg noch in den Kinderschuhen. „Mit ihren 80 Jahren ist Wolfsburg eine sehr junge Stadt und wird zu Unrecht mit historischen Städten verglichen. Für ihr Alter ist Wolfsburg bereits sehr städtisch geprägt.“ In Zeiten der Digitalisierung mag der Eindruck entstehen, dass Raum und Ort immer weniger relevant sind. Doch Hirschheide kennt das Gegenteil: „In urbanen Städten werden nichtkommerzialisierte Räume aufgesucht, in denen man andere Menschen treffen und sich austauschen kann.“ Dazu gibt es schon heute Ansätze, wie zum Beispiel das Mehrgenerationenhaus, das für jeden offen steht und vielfältige Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung bietet. Auch das Bildungshaus könnte ein Ort für Kommunikation und Begegnung werden, jedoch ist der Bau noch Zukunftsmusik.
Hirschheide blickt optimistisch in die Zukunft: „Wolfsburg soll 2030 vor allem lebenswert sein. Dazu gehören neben Wohnen auch angemessene Arbeitsplätze, attraktive Freizeitangebote, gut gestaltete, ökologische Grünflächen und hochwertige Bildungsangebote. Das Gesamtpaket soll stimmen.“