In Wolfsburg ist Michael Manske geboren und aufgewachsen, hat am Albert-Schweitzer-Gymnasium sein Abitur gemacht – beruflich durchgestartet ist er jedoch andernorts. Nach dem Studium (Sport-Journalismus und -Management) in Hamburg und einem Volontariat bei der Hamburger Morgenpost ging Michael Manske 2014 zu BILD, war dort zunächst Sport-, dann Investigativ-Reporter, berichtete als solcher auch intensiv über Volkswagen, den Dieselskandal und dessen Folgen. Deshalb sorgte es durchaus für Wirbel, als der 29-Jährige, ein Top-Talent der Branche und mittlerweile Verantwortlicher Redakteur bei BILD in Berlin, im Mai dieses Jahres in die Konzern-Kommunikation von VW wechselte. Im Interview mit FLOW WOLF spricht er aber nicht nur darüber, sondern auch über die Gründe für seine Rückkehr in die Heimat, Wolfsburg-Vorurteile und Bundesliga-Bedingungen in der Kreisliga.
Der Weg in die Konzern-Kommunikation
Als Ihr VW-Engagement bekannt wurde, gab es Schlagzeilen wie „Seitenwechsel: Volkswagen wirbt scharfen Kritiker von Bild ab“ oder „VW kauft einen seiner schärfsten Kritiker vom Markt“. Was halten Sie davon?
Um die Bezeichnung „Seitenwechsel“ kommt man nicht herum, das ist absolut in Ordnung. Vorher war ich Journalist und habe Pressestellen angefragt, und jetzt sitze ich selbst in der Pressestelle, bekomme und beantworte Anfragen. An „schärfster Kritiker“ störe ich mich allerdings. Es stimmt, dass ich kritisch war, das bin ich durchaus heute noch, aber ich merke ja momentan, dass es einige gibt, die in Sachen Kritik deutlich weiter vorn sind, als ich es damals war. Und gegen den Vorwurf, dass mich Volkswagen eingekauft hat, damit Ruhe ist, sprechen allein schon die zeitlichen Abläufe.
Wie meinen Sie das?
Vom Bekanntwerden des Dieselskandals im Jahr 2015 an habe ich dieses Thema ein, zwei Jahre lang sehr intensiv begleitet. Danach habe ich mich journalistisch aber immer weniger mit Volkswagen beschäftigt, was vorrangig daran lag, dass ich andere Themen für relevanter erachtet habe. Außerdem habe ich bei BILD die Position gewechselt, bin vom Investigativ- ins Nachrichten-Ressort gegangen, war dort Blattmacher statt reiner Reporter. Da habe ich dann mit VW gar nichts mehr am Hut gehabt, salopp kann man also sagen: Ich habe die sowieso in Ruhe gelassen und nicht mit Artikeln oder Enthüllungen genervt.
Waren Sie überrascht vom Aufsehen, den Ihr Arbeitsplatz-Wechsel ausgelöst hat?
Dass es etwas Wirbel unter den Fachinteressierten geben würde, damit hatte ich gerechnet, nicht aber mit so vielen Artikeln. So spannend finde ich mich selbst jetzt auch nicht. Außerdem ist der Wechsel vom Journalismus in die Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens nicht so ungewöhnlich. Ich halte das für eine gewisse Branchen-Eitelkeit, dass man ein Stück weit geächtet wird, weil man in die PR und damit auf die angeblich dunkle Seite wechselt. Für mich ist diese Denkweise ziemlich altertümlich.
Die Rückkehr in die Heimat
Sie werden aktuell vom PR Report zu den Top–30–Talenten der PR-Branche gezählt. Noch vor drei Jahren hatte das Medium Magazin Sie in die Liste der „Top 30 unter 30“ aufgenommen. Ist Unverständnis über den Abgang eines der vielversprechendsten Talente vielleicht eine Erklärung für die teils heftigen Reaktionen?
Das kann sein. Und ja, mir haben viele gesagt, dass ich auch noch in zehn Jahren in die PR wechseln kann. Aber wer weiß so etwas sicher? Das Angebot war da, ich musste mir reiflich Gedanken machen. Ich halte Journalismus für einen überaus wichtigen Beruf, den ich wahnsinnig gern ausgeübt habe. Sicher bleibt ein Stück Journalist in mir erhalten – am Ende habe ich mich aber für die neue Herausforderung entschieden und freue mich natürlich über das Top–30-Double.
Aus welchen Gründen haben Sie sich letztlich für den Wechsel entschieden?
Da gab es einige Faktoren. Als das Angebot von Volkswagen kam, habe ich das als einmalige Chance begriffen, in so einem historischen Moment hautnah dabei zu sein. Das ist eine spannende Zeit, von der ich später vielleicht auch mal meinen Kindern erzählen kann. Zudem wohnt meine Freundin hier. Wir haben lange eine Fernbeziehung geführt, ich bin auch lange Zeit zwischen Berlin und Wolfsburg gependelt. Ich bin gern unterwegs, habe auch mal ein halbes Jahr in Los Angeles gewohnt, aber hier habe ich meine Basis. Auch meine ganze Familie ist hier. All das war ausschlaggebend für meine Entscheidung. Ich bin übrigens sehr gerne in Wolfsburg, auch wenn ich immer mal wieder dafür belächelt werde. Die mitleidigen Reaktionen sind teilweise unglaublich – als ob ich denen erzählen würde, ich wohne auf einer Baustelle.
Wie gehen Sie mit derlei Klischees und Vorurteilen um?
Ich mache es gern so, dass ich den Leuten die Stadt einfach mal zeige. Sie hat Defizite, gar keine Frage, aber sie hat auch viele schöne Ecken. Wolfsburg ist supergrün. Wenn man erst mal in Berlin gewohnt hat, weiß man das zu schätzen. Die Möglichkeiten zum Essengehen sind überragend, es gibt zum Beispiel viele gute Italiener. Außerdem hat man hier die freie Auswahl an Freizeitaktivitäten – außer im Nachtleben, das ist eine Vollkatastrophe. Und auch in Sachen Café-Kultur hat Wolfsburg Nachholbedarf, da bin ich für jedes neue Angebot dankbar. Ansonsten hat die Stadt bundesweit einen deutlich schlechteren Ruf, als sie es verdient.
2016 hat BILD einen sogenannten „Wut-Brief“ von Ihnen veröffentlicht. Darin prangern Sie auch mit Verweis auf Ihre bei VW beschäftigten Familienmitglieder und Freunde die Bonuszahlungen an das damalige Management an. Wurden Sie im Werk eigentlich mit offenen Armen empfangen?
Ich habe schon das Gefühl, dass ich mir bei manchen Vertrauen erarbeiten muss, aber das ist in Ordnung und normal, wenn man irgendwo neu anfängt. Aber ich empfinde auch, dass meine Perspektive gefragt ist, weil ich weiß, wie eine Zeitungsredaktion arbeitet und die journalistische Denkweise funktioniert. Wenn ich mitbekommen hätte, dass mich hier keiner haben will, dann hätte ich das auch nicht gemacht. Ich glaube, die neuen Kollegen haben schnell gemerkt, dass man mir vertrauen kann und dass ich meinen Job sehr ernst nehme.
Der Wolfsburger Fußball
Sie sind bei der Litigation Communication tätig. Können Sie Ihren Arbeitsbereich näher erläutern?
Ich übersetze das zum Erklären gerne mit Krisen-PR. Wir als Abteilung betreuen hauptsächlich den Dieselskandal und seine juristischen Folgen, wobei ich mich persönlich vornehmlich um die arbeits- und strafrechtlichen Belange kümmere. Das betrifft zum Beispiel die Anklage gegen den Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess. Von den Aufgaben her bin ich ein klassischer Pressesprecher, beantworte unter anderem Presseanfragen oder organisiere Hintergrundgespräche und Interviews.
Auch beim VfL Wolfsburg war längere Zeit eine Art Krisen-PR gefragt, 2017 und 2018 gelang die Bundesliga-Rettung erst in der Relegation. Wäre dieser Job auch etwas für Sie gewesen?
Das habe ich der Presse-Abteilung des VfL durchaus auch ohne Krisen-PR zugetraut. Ansonsten bin ich kein eingefleischter VfL-Fan, freue mich aber über Erfolge. Aktuell scheint der Verein ja wieder auf dem richtigen Weg zu sein, nicht zuletzt dank Sportdirektor Marcel Schäfer. Für mich steht er für Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit.
Sie sind aber nicht nur Sport-Fan, sondern spielen beim Kreisligisten TSV Wolfsburg als Sechser und Mannschaftskapitän auch selbst Fußball. Was steht für Sie da im Vordergrund: Spaß oder Ehrgeiz?
Das ist eine Mischung aus beidem. Ich genieße es total, spiele mit vielen langjährigen Freunden zusammen. Wir haben die Kabine selbst renoviert, verfügen über eine Playstation und einen Fernseher, jeder hat seinen eigenen Spind, es gibt einen super Physiotherapeuten – das sind fast Bundesliga-Bedingungen. Und auf dem Platz will ich unbedingt gewinnen, wir sind ja auch erfolgreich in die Saison gestartet. Leider ist für mich die Hinrunde gelaufen, weil ich mir einen Innenbandriss zugezogen habe.
Trotz dieser Verletzung scheinen Sie Ihre Rückkehr nach Wolfsburg nicht zu bereuen?
Ich bin super happy. Dass ich mich hier privat wohlfühlen würde, daran hatte ich keine großen Zweifel, aber beruflich bin ich ebenfalls absolut zufrieden. Es macht richtig Spaß, auch weil man merkt, dass bei VW der Wille vorhanden ist, offener und transparenter zu werden. Jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht, es liegt ja noch einiges vor uns.