Bereits mit drei Jahren begann Carolin Wietig mit dem Motocross. Seitdem ist der Motorsport aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken. Egal, ob auf der Straße, Offroad oder auf Supermoto-Rennstrecken, solange es einen lauten Motor und zwei Räder hat, blüht die Leidenschaft der Rennfahrerin auf.
Eine frühe Liebe
Dank ihrem Vater, der selber ein Motocross-Fahrer war, hat Carolin ihre erste eigene Maschine bekommen. Die Suzuki JR 50 war für sie der Startschuss in die Motorwelt, auch wenn ihre Mutter nicht begeistert war. Schon bald wurde die 50-Kubik Maschine an ihren heutigen Freund Dennis verkauft, um einer Neuen Platz zu machen. Die Yamaha war heiß geliebt, bis sie dann mit sechs Jahren zwangsweise zusammen mit ihrem Vater Pause machte. Trotzdem: Das Interesse blieb. Mit 12 Jahren, als bei der damaligen Velstover Motocross Rennstrecke Tag der offenen Tür war, bot sich ihr eine Möglichkeit, die sie nicht abschlagen konnte. Sie machte mit einer 80er-Motocross eine Probefahrt und kaufte die Maschine. Doch das Vergnügen war nur von kurzer Dauer, denn ein technischer Defekt machte der damals 13-jährigen Carolin einen Strich durch die Rechnung. Der Gasbautenzug war falsch verlegt, woraus ein Gasklemmer resultierte, der für sie einen Beckenbruch zur Folge hatte. Verständlich, dass Carolins Mutter ihr die nächste Pause für den Motorsport erteilte.
Für jede Maschine die richtige Strecke
Mit 18 Jahren und dem Motorradführerschein in der Tasche, kaufte sich Carolin eine Enduro. „Ich war damals übermütig. Ich wollte immer schneller fahren, als es gut gewesen wäre”, lacht Carolin. Denn ein Jahr später, bei einem zu weit genommenen Sprung, brach sie sich den Fuß. Doch das hielt sie nicht davon ab weiterhin zu fahren. Und keine zwei Jahre später kaufte sie sich ihre erste Supermoto. Supermoto ist ein Motorrad-Rennen, welches sowohl auf Asphalt als auch im Gelände stattfindet. Mit ihrer Suzuki nahm sie dann bei einem Treffen am Harzring teil, wo eine Kartbahn mit Offroad-Teil zu finden ist. Dort ist Carolin noch mit ihren Textilklamotten, welche eigentlich eher beim Motocross üblich sind, mitgefahren. Die Männer, die sie anfangs noch belächelten und ihr beim Abladen halfen, staunten nicht schlecht, dass sie die Schnellste war. Carolin stellte aber fest, dass ihre Suzuki zu langsam auf geraden Strecken war und die Straßenräder nicht optimal für Supermoto waren. Slicks, also profillose Reifen, waren gefragt. 2007 kaufte sie sich dann eine Rennsupermoto und begann 2009 Amateurbereich Rennen zu fahren. 2010 nahm das Ganze professionellere Züge an mit der Teilnahme an Deutschen Meisterschaft. Zu diesem Zeitpunkt traf sie auch Dennis wieder, diesmal nur mit größeren Motorrädern als damals. Schnell begeistert von der Supermoto, legte sich auch Dennis eine zu und blieb hartnäckig dabei, bis Carolin und er mit den Zeiten gleichauf waren. 2015 dann der Höhepunkt: Dennis wurde Deutscher Meister und Carolin sicherte sich die Vizemeisterschaft.
Das Leben auf der Rennstrecke
Seit 2017 sind Carolin und Dennis Eltern eines 2-jährigen Sohnes, der schon fleißig auf seiner eigenen Maschine sitzt und mit Mama und Papa mithalten möchte. „Auch als Mama versuche ich mindestens einmal im Monat zu trainieren. Einfach zum Ausgleich. Mit dem Kleinen fahre ich täglich, damit er am Ball bleibt”, erzählt sie. Häufig auch mal im Urlaub, wenn zwei der insgesamt sieben Motorräder hinten im Bus verladen sind und nur darauf warten, neue Strecken zu erkunden. Doch Langsamkeit ist trotz Mutterdasein ein Fremdwort. Sie fährt immer noch dieselben Zeiten. Nur sicherer ist sie mittlerweile geworden: Gestürzt ist sie dank ihrer Erfahrung schon lange nicht mehr. „Als Frau muss man sich aber immer wieder aufs Neue beweisen”, berichtet sie. „Die pinke Nummer und meine damals blonden Haare wurden immer belächelt.” Doch selbst der letzte Skeptiker gab auf, nachdem er sie fahren sah. Häufig wurde sie danach sogar um Tipps gebeten. Das sei eines der besten Komplimente, die man als Fahrerin bekommen könne. Trotz vieler Frauen, die hobbymäßig Supermoto fahren, ist die gebürtige Osloßerin häufig die einzige Frau bei offiziellen Rennen. Bei der Deutschen Meisterschaft kamen auf vier Frauen 100 Männer. Laut Carolin liege das daran, dass Mädchen anders erzogen werden und nicht an diese Sportart herangeführt werden. Das resultiert häufig darin, dass Frauen zu spät anfangen, Motocross oder Supermoto zu fahren. Man erkennt häufig bereits an der Körperhaltung, dass sie ängstlich sind. Doch eines ist sicher: Männer fahren häufig waghalsiger. Kopf aus; Motor an. Und alles möglichst schnell. Das ist jedoch nicht immer die erfolgreichste Methode. Während Männer häufig driften, hat Carolin einen eher runden Fahrstil, indem sie viel Schwung mitnimmt. Damit ist sie genauso schnell und weniger fehleranfällig. Das Driften muss perfekt beherrscht sein, sonst entstehen Lücken. Eben diese nutzt Carolin für sich aus überholt so – häufig verblüffte – männliche Teilnehmer.
Carolins Tipp für jeden Motocross- oder Supermotoanfänger: Keine Angst, immer schön locker bleiben! Außerdem: Lieber auf der Rennstrecke stürzen, als auf der Straße. Eben solche Ratschläge versucht sie bereits jetzt ihrem Sohn zu vermitteln. Der hat schon ordentlich Spaß am Schnellfahren und Angst ist für ihn ein Fremdwort. Er muss nun vor allem lernen, die Gefahr einzuschätzen. Und wer weiß, vielleicht tritt er ja eines Tages in die Fußstapfen seiner Eltern und wird Deutscher Meister.