Als ich mich auf den Weg nach Hoitlingen (Samtgemeinde Brome) mache, um mehr über die globale Familie zu erfahren, stelle ich mir die Frage, wie es wohl wäre, in mehreren Kulturen aufzuwachsen, von klein auf durch die Welt zu ziehen? Wo wäre dann mein Zuhause? Was wäre Heimat für mich? Doch als ich bei Ann Wöste eintreffe, fühle ich mich gleich Zuhause. Denn Ann Wöste ist Coach für Expat-Partner und Third Culture Kids. Sie hilft Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen dabei, anzukommen, Ruhe zu finden und sich überall Zuhause zu fühlen.

Wo bin ich eigentlich Zuhause?

Eigentlich ist Ann Wöste gelernte Buchhändlerin. Doch mit dem Thema durch die Welt reisen und in anderen Ländern leben und Kulturen kennenzulernen, kam die 47-Jährige schon früh in Berührung. Nach dem Abitur zog es sie als Au-Pair nach Irland, als junge Buchhändlerin nach Spanien und schließlich als Ehefrau eines überwiegend im Ausland tätigen Ingenieurs nach Portugal und China. Sie lebt den mobilen Lebensstil und sieht in den zahlreichen Auslandsaufenthalten eine große Bereicherung für ihre persönliche Weiterentwicklung: „Nun bin ich in mir zu Hause, egal, wo in der Welt ich mich gerade aufhalte.“

Jedoch können sich nicht alle Reisenden mit dieser Einstellung identifizieren und fühlen sich von ihrem Umfeld oftmals nicht verstanden. Das weiß auch Ann Wöste, denn sie kennt beide Seiten: die Herausforderung einer Entsendung als mitreisende Partnerin und die Rolle als Mutter zweier Third Culture Kids. Als ihre Familie dann für einige Zeit in China lebte, hatte die zweifache Mutter einen Schlüsselmoment: „Wenn ich ein Thema habe, dann helfe ich mir meistens selbst, indem ich gucke, was gibt es Lesenswertes darüber. Dabei bin ich über ein Buch gestolpert: Third Culture Kids – Aufwachsen in mehreren Kulturen.“

Dieses Buch war für Ann Wöste wie ein Augenöffner, da es exakt den Lebensstil ihrer Familie beschrieb. Allerdings war der Begriff vielen Menschen gar nicht bekannt und sie fasste den Entschluss, dass die Thematik Third Culture Kids auch in den gesellschaftlichen Diskurs gehörte.

„Ich wollte Frauen wie mich und Kinder wie meine dabei unterstützen, diesen Lebensstil zu führen. Daraufhin habe ich ein Fernstudium begonnen, bin Kinder- und Jugendcoach geworden und habe mich dann hier selbstständig gemacht.“

Third Culture Kids Buch
Third Culture Kids – Aufwachsen in mehreren Kulturen. Foto: FLOW WOLF

Überall auf der Welt Zuhause fühlen

Doch wer sind diese „Third Culture Kids“ (kurz TCK)? Mit dieser Frage wird Ann Wöste häufiger konfrontiert, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Drittkulturkinder sind Kinder und Jugendliche, die in einer anderen Kultur als ihre Eltern aufwachsen, weil sie oftmals umgezogen sind und dadurch die Kultur gewechselt haben. Einerseits birgt diese Lebensweise viele Chancen und Vorteile, wie eine neue Sprache lernen und eine andere Kultur entdecken. Anderseits werden insbesondere Kinder auch mit Stolpersteinen konfrontiert wie Rastlosigkeit, sich nicht Zuhause fühlen, permanent Abschied nehmen müssen und die damit verbundene Trauer.

Oftmals ist im Umfeld der Third Culture Kids das Verständnis für das Unglücklich sein und das Vermissen einer Zugehörigkeit noch nicht vorhanden oder diese Gefühle werden unterschätzt. Deswegen werden die Sorgen und Gefühle der Kinder als Phase abgetan, welche von selbst wieder vorübergeht. Jedoch kann diese Phase nicht einfach vorübergehen, denn rückkehrende Third Culture Kids sind in ihrer Heimatkultur eine Art „Hidden Immigrants“. Sie gleichen vielleicht äußerlich den Einwohnern ihrer Heimatkultur, kennen diese aber nicht so gut wie Gleichaltrige. Und da sie selbst eben oft auch nicht wirklich verstehen, warum sie sich so anders und eben nicht zugehörig fühlen, befinden sie sich oft in einem Spannungsfeld von Anpassungsdruck und dem Wunsch, ihre TCK Identität zu leben. Oftmals können sie dieses innere Gefühlschaos nicht richtig in Worte fassen. Daher drücken Kinder die „Unzufriedenheit“ oftmals durch schlechte Noten, ein verändertes Verhalten, Integrationsschwierigkeiten oder Problemen mit Klassenkamerad*innen aus. Ann Wöste hilft bei der Übersetzung dieser Gefühle.

An dieser Stelle greift das Coaching von Ann Wöste. Sie hilft bei der Übersetzung dieser inneren Gefühle. So wird beispielsweise Raum zum Trauern und Abschied zu nehmen geschaffen, Druck abgebaut und negative Glaubenssätze wie „Ich kann das nicht“ entkräftet. Die Expertin weiß außerdem: „Sie müssen erst wieder lernen im Hier und Jetzt präsent zu sein, weil sie im Herzen noch woanders sind.“ Denn anders als Erwachsene entwickeln Kinder erst noch ein Wertesystem, eine eigene Identität und einen Heimatbegriff. Dieses Bewusstsein ist für uns Erwachsene selbstverständlich, für Third Culture Kids jedoch nicht. Mit ihrem individuellen Coaching von Third Culture Kids möchte Ann Wöste, Kindern das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zurückzugeben und sie unterstützen, aus eigener innerer Motivation ihren weiteren Weg zu gehen.

Das Institut für einen mobilen Lebensstil

Ann Wöstes Arbeit zielt nicht nur auf Rückkehrende ab, sondern sie bereitet auch Familien auf die Entsendung vor. Um mobile Familien ganzheitlich und weltweit zu unterstützen, hat die ambitionierte TCK-Expertin mit ihren Kolleginnen Stefanie Guth, Angela Schreiner, Rebecca Lüppen und Wiebke Homborg das Institut für mobilen Lebensstil (www.mobile-familien.de) gegründet.

Gemeinsam wollen sie Expatfamilien und Rückkehrende unterstützen, indem sie Reisende ein sanftes Ankommen und Einleben ohne Kulturschock ermöglichen. Eine Entsendung oder eine Rückkehr bedeuten nicht nur Koffer packen und los geht es – denn mit dieser einschneidenden Entscheidung sind viele Emotionen, Chancen aber auch Herausforderungen für die ganze Familie verknüpft. Ann Wöste zeigt, dass ein mobiler Lebensstil in Zeiten der Globalisierung für alle Parteien funktionieren kann, wenn eben darüber kommuniziert und auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Familienmitglieds eingegangen wird. Weitere Informationen zu Ann Wöste und ihr Coaching Angebot „Überall zu Hause Coaching für Expat-Partner und Third Culture Kids“ findest du auf ihrer Website www.die-globale-familie.de. NP