Der Billen-Pavillon war einst das Verwaltungsgebäude der Firma Naturstein Billen, die bis zu ihrem Auszug 2010 bestand. Das Gebäude ist seitdem im Besitz der Stadt Wolfsburg und wurde 2012 durch die besondere Bauform als Einzeldenkmal in unserer Region unter Denkmalschutz gestellt. Momentan ist der Pavillon leerstehend und wartet somit nur auf neue, vielseitige und interessante Nutzungsmöglichkeiten. Diesen Sommer über hat sich der Billen-Pavillon in eine Kulturstätte verwandelt: Im Rahmen des Kultursommers finden hier verschiedene Veranstaltungen statt, die zum Entdecken und Verfolgen der spannenden Geschichte des Baus und dem Natursteingeschäft einladen. Vom 18.08.2019 bis zum 08.09.2019 gibt es jeweils donnerstags und sonntags unterschiedliche Angebote, die von Führungen durch die Ausstellung und Zeitzeugengespräche bis hin zum gemeinsamen Beisammensein während des Tag des offenen Denkmals reichen. Dieser Zeitraum ist also nicht nur perfekt, um sich einen eigenen Eindruck der Baugeschichte selbst zu machen, sondern auch um die Augen wieder für dieses künstlerisch wertvolle Gebäude in Wolfsburg zu öffnen.

1959 oder der Beginn einer neuen Ära

Buchstabensalat bei Billen im Grabsteinlager / Foto: FLOW WOLF
Buchstabensalat bei Billen im Grabsteinlager / Foto: FLOW WOLF

An den verschiedenen Tagen kann man sich durch das vielseitige Programm einen umfassenden Überblick über die Historie des einstigen Handwerkbetriebs verschaffen. Anhand der geschichtlichen Dokumentation und den Fotografien des seit 1959 bestehenden Pavillons können die Räume aus der Zeit um 1960 mit den mittlerweile leerstehenden Zimmern verglichen werden. Dabei lassen sich zwischendrin noch klare Bestandteile des damaligen Mobiliars erkennen. Der Bauherr Johann Tillmann Billen, welcher 2018 in Wolfsburg verstarb, hat seiner Vorliebe für klare Linien und seiner Bewunderung für den Barcelona Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe über die Umsetzung und den Bau des Billen-Pavillons Ausdruck verliehen. Den architektonischen Grundstein dafür hat Rudolf Richard Gerdes gelegt, der an der Braunschweiger Schule auch in dem Stil von Mies van der Rohe gelehrt wurde. Der Pavillon war eines seiner ersten fertiggestellten Bauwerke und ist bis heute ein eindrucksvoller Teil der Wolfsburger Baugeschichte. Naturstein Billen stand für hochwertige Natursteinfassaden und das lässt sich auch in der Architektur der einzelnen Räume des Verwaltungsgebäudes erkennen. Die beiden Standbeine der Firma – die Bildhauerei und Grabmalfertigung – haben die Stadt Wolfsburg nachhaltig mitgeprägt. Unter anderem verkleideten sie das Rathaus oder das Alvar-Aalto-Kulturhaus mit Naturstein und haben dadurch ihre Fußspuren überall in der Stadt zurückgelassen.

Ein komplexes Gebäude

Das Archiv der Schriftensammlung – heute leerstehend und ungenutzt / Foto: FLOW WOLF
Das Archiv der Schriftensammlung – heute leerstehend und ungenutzt / Foto: FLOW WOLF

Der Pavillon an sich besticht durch seine geradlinige Erscheinung im Bauhausstil und zeigte damit schon früh seine Individualität und neuzeitliche Form in der Wolfsburger Baulandschaft. Von dem ehemals großen Gebäudekomplex, bestehend aus einer großen Werkhalle und deren später folgenden Erweiterungen, ist heute nicht mehr viel zu sehen. Geblieben ist lediglich der Pavillon, der als letzter Bestandteil auf den ehemaligen Handwerksbetrieb Naturstein Billen verweist. Die Einzigartigkeit des Gebäudes ist schon von außen erkennbar und zieht sich mit der gleichen Klarheit durch die unterschiedlichen Räume. Besonders interessant zeigen sich hier die großen Glasflächen, die jeden Raum mit Licht durchfluten und transparent gestalten. Die Struktur und Gestaltung der offenen Räume schaffen dabei eine offene und harmonische Atmosphäre. Der Naturstein war nicht nur das Geschäft der Firma Billen, sondern lässt sich auch überall im Verwaltungsgebäude finden: der Boden, der meist durch ein eher schlichtes Design besticht, die verschiedenen Muster und Strukturen von diversen Steinen an den Wänden und selbst eine versteckte Garderobe, die in eine große Steinplatte eingearbeitet wurde. Der Sitzungsraum ist sowohl an der linken als auch der rechten Wand in Steinplatten gehüllt und überzeugt trotz – oder gerade wegen – der verschiedenen gewählten Designs. Unterschiedlich große viereckige Steinplattenausschnitte wurden zu einer Gesamtkomposition vereint und passen durch die gewählten Farbelemente zu der in leichtem rosa-grau gemusterten Wand gegenüber. Im Grabsteinlager sind der Boden und ein Großteil der Wände schlicht gehalten; an einer Wand gibt es verschieden große Marmorplatten zu bewundern, bei der die Vielseitigkeit der Grabsteinkünste noch heute spürbar ist. Im ehemaligen Chefbüro sieht man immer noch die Gardinen aus dem Jahr 1961 hängen und anhand der Fotografien lassen sich das Mobiliar und die Bilder des einstigen Raums ganz leicht heraufbeschwören. Einzigartig wird der Bau außerdem durch den zentral gelegenen Innenhof des Gebäudes: von allen zum Atrium gelegenen Räumen aus lassen die Fenster Licht hinein und den Blick ins stets wachsende Grün hinaus. Am Anfang hat man hier eine Robinie gepflanzt, die nicht nur durch ihre besondere Blattform einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Diese überragt mittlerweile mit ihrer ausladenden Baumkrone das Gebäude und auch die Wurzeln drücken langsam gegen die Kellerwände. Neben dem Baum findet man hier auch ein Wasserbecken aus Sandstein, dass den Innenhof zu einem praktisch eingefügten Naturelement werden lässt.

Kultursommer bei Billen

Chillen bei Billen / Foto: FLOW WOLF
Chillen bei Billen / Foto: FLOW WOLF

Doch auch die Zeit ist nicht am Billen-Pavillon vorbeigegangen und lässt deutlich die Spuren der Vergangenheit und dem jahrelangen Leerstand erkennen. Während des Kultursommers öffnet der Pavillon daher nicht nur seine Türen, sondern kann auch die meisterhafte Baukunst in verschiedenen thematischen Führungen begutachtet werden. Vielleicht ergeben sich dabei sogar neue Nutzungsmöglichkeiten, die in den nächsten Jahren verwirklicht werden. Auch die historischen Fotografien, die auf den Infotafeln in den Räumen zu bestaunen sind, vermitteln einen Eindruck der einstmalig stilvoll gestalteten Räume. Eins ist klar: der Billen-Pavillon war und ist ein spektakuläres und spannendes Bauwerk, das es weiterhin zu schützen und zu nutzen gilt.

Infobox

Neben dem Veranstaltungsprogramm, das im Rahmen des Kultursommers noch bis zum 08.09.2019 läuft, kann man selbstverständlich auch einfach zu den Veranstaltungstagen bei Billen chillen.

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