Almuth Schult ist Torfrau beim VfL Wolfsburg und hat national sowie international viele Titel gewonnen. Im Interview erzählte sie von den Unterschieden zum Männerfußball, der Entwicklung im Frauenfußball und dem Wunsch nach mehr Chancengleichheit.

Der VfL kam zum richtigen Zeitpunkt

Almuth Schulz gibt Autogramme
Frauenfußball erfreut sich immer größer werdender Beliebtheit. /Foto: regios24

Warum hast du dich damals für den VfL Wolfsburg entschieden?

Oh, gute Frage. Der VfL Wolfsburg ist der Verein, der am nächsten an meiner Heimat Dannenberg ist. Und ich habe damals schon gesagt, wenn ich es irgendwie schaffe, möchte ich beim VfL spielen. Es ist quasi mein Heimatverein. Und es hat sich anfangs nicht ergeben, es war nicht der richtige Zeitpunkt. Als ich von Bad Neuenahr (in der Nähe von Bonn) weg musste aufgrund von Insolvenz, kam der VfL mit dem für mich am besten passenden Angebot auf mich zu. Das war im Mai 2013. Zu der Zeit studierte ich noch an der Sporthochschule in Köln und wollte mein Studium unbedingt fortführen. Von der Entfernung her wäre ich natürlich gerne in der Nähe der Sporthochschule Köln geblieben, aber der VfL meinte, das sei kein Problem, das kriegen wir geregelt.

Wie fandest du die Bedingungen, die du 2013 vorgefunden hast?

Das war ein großer Unterschied. Wir hatten eine eigene feste Kabine, die natürlich noch nicht vergleichbar war mit dem Standard, der es heute ist. In den letzten sechs Jahren ist hier sehr viel passiert. Es wurden die Klamotten gewaschen und wir hatten immer einen Physiotherapeuten auf dem Platz. Auch die Reisen waren professioneller organisiert. Wir hatten zudem ein Trainerteam, was immer um einen herum war.

Hast du dein Studium beendet?

Ich habe von Wolfsburg aus weiterstudiert und musste ein bis zwei Mal die Woche nach Köln fahren, um dort meiner Anwesenheitspflicht nachzukommen. Ich bin seit 2,5 Jahren scheinfrei und muss jetzt noch meine Bachelorarbeit schreiben. Da muss ich mir jetzt den geeigneten Zeitpunkt raussuchen. Das ist in Wolfsburg leider nicht so einfach, weil es hier keine Bibliothek mit Sportliteratur gibt. Wahrscheinlich muss ich mir eine Sommerpause suchen, wo kein großes Turnier ist und dann in Magdeburg die Bibliothek nutzen.

Was wäre dein Berufswunsch nach Karriereende?

Ich möchte schon dem Sport erhalten bleiben. Ich denke, dass es Richtung Trainerin oder Torwarttrainerin gehen könnte. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es Richtung Heilpraktikerin geht. Zudem könnte ich ein zweites Fach studieren und Lehrerin werden. Das kommt auch darauf an, was in meiner Heimat verfügbar ist, da ich hier sesshaft werden möchte.

Vergleich mal bitte deinen Karrierestart mit dem heutiger Talente.

Ich glaube, dass die Förderung heute schon viel früher professioneller ist. Mein erstes richtiges Torwarttraining, aus dem ich was mitnehmen konnte, hatte ich mit 16 Jahren. Da gibt es heute schon Torfrauen, die sind mit 13, 14 Jahren schon richtig gut ausgebildet. Vom technischen Anspruch und vom Wettkampfanspruch ist das Niveau immer weiter angestiegen. Spielerinnen, die heute in die Nationalmannschaft kommen, sind schon deutlich weiter, als wir es zu dem Zeitpunkt waren. Aber das ist auch gut so und zeigt, dass der Frauenfußball immer noch an Qualität gewinnt. Das merken wir in der Frauen-Bundesliga und im internationalen Vergleich, wo viele Nationen aufholen.

Unterschiede zum Männerfußball

Almuth Schulz mit Fußball
Eine gute Grundausbildung ist Voraussetzung eines Profisportlers. /Foto: regios24

Und wo siehst du die größten Unterschiede mit dem Männerfußball?

Der Männerfußball ist einfach in der Spitze viel enger zusammen. Da kommt es nicht nur darauf an, dass sich Qualität und Talent durchsetzt. Du brauchst auch Glück, dass der richtige Trainer da ist, der auf dich setzt und dich fördert. Beim Frauenfußball reicht es meist schon, wenn du talentiert, arbeits- und lernwillig bist. Dann wirst du dich durchsetzen, wenn du verletzungsfrei bleibst. Selbst wenn du bei einem Verein primär auf der Bank sitzt, kannst du bei einem Vereinswechsel den Durchbruch schaffen. Beim Männerfußball gibt es auch welche, die die Fritz Walter Medaille im Nachwuchsfußball gewonnen haben und trotzdem nur in der 3. Liga spielen, obwohl sie das Potenzial für die 1. Liga gehabt hätten (Anm. d. Red.: Gian-Luca Itter erhielt 2018 die Medaille, setzte sich aber dennoch nicht bei der Profimannschaft durch). Der Männerfußball ist noch gefestigter. Aber ich würde nicht sagen, dass das unbedingt besser ist. Den jungen Spielern wird so viel abgenommen, dass vielleicht die Persönlichkeitsentwicklung und Selbständigkeit auf der Strecke bleibt in manchen Internaten. Im Frauenfußball muss man sich noch viel selber erarbeiten. Wenn man diese beiden Komponenten zusammenfügen würde, dann könnten beide davon profitieren.

Gibt es einen Austausch mit den Männerteams?

Das ist noch eher selten. In den Nationalmannschaften findet es fast gar nicht statt. Hier im Verein habe ich das Gefühl, dass es mehr wird. Die Männersparte guckt immer mal wieder rüber. Natürlich ist es auch räumlich getrennt mit der Volkswagen Arena und dem VfL-Stadion am Elsterweg, wo wir trainieren. Aber wir haben auch gemeinsame Termine, das Interesse ist also vorhanden. Ich habe während meiner Rehabilitationsphase mit Phillip Menzel zusammen trainieren können. Das war sehr interessant. Ich denke, beide Sportarten können voneinander profitieren. Wir müssen einfach in der Breite noch besser werden. Man sieht, dass bei uns die Konstanz und Technik noch nicht da ist, wo sie bei den Männern ist. Aber ich glaube, dass unsere Disziplin eine andere ist, weil wir uns alles selbst erarbeiten müssen Da ist sehr viel Eigenverantwortung im Frauenfußball notwendig, um ganz oben anzukommen.

Mit der Karriere im reinen

Almuth Schulz ist 28 Jahre und spielt Frauenfußball
Mit 28 ist Almuth Schulz im besten Fußballeralter. /Foto: regios24

Wie lange kannst du noch spielen?

Ich bin 28 Jahre alt und es ist noch Zeit. Man muss darauf bedacht sein, dass man gesund bleibt. Vielleicht kann man bis 35 oder mehr spielen. Als Frau muss man dazu noch beachten, was mit der Familienplanung ist. Da haben wir es vielleicht schwerer als die Männer. Ich bin soweit mit meiner Karriere im reinen, habe schon viel erreicht.

Kommen in der neuen Saison noch mehr „Herrenteams“ dazu?

Hoffenheim investiert schon länger und ich würde mir weitere Teams wünschen. Zur nächsten Saison kommt Eintracht Frankfurt dazu, die den 1. FFC Frankfurt übernehmen, da sie bisher nur eine Mannschaft in der Regionalliga haben. Es wäre schön, wenn sie ihre Leidenschaft in der Europa League auf die Frauen übertragen würden, dann könnten sie mit der Euphorie andere Vereine, wie Dortmund und Schalke, anstecken. Wir sprechen in unserer Gesellschaft, davon dass wir Chancengleichheit ermöglichen sollen. Viele Vereine leben das nicht, obwohl in den Fankurven immer mehr Frauen zu sehen sind. Ich hoffe, dass mehr „Männerteams“ dazukommen, denn das würde Wettbewerb und Attraktivität steigern. 

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