Das englische Sprichwort „The early bird catches the worm.” sprich „Der frühe Vogel fängt den Wurm.“ hat der ein oder andere sicher schon einmal auf einer Postkarte oder Kaffeetasse gelesen. Doch dass sich dahinter ein Kita-Prinzip versteckt, wissen wohl die wenigsten. Doris Heubach ist Sozialpädagogin und Leiterin der katholischen Kindertagesstätte Edith Stein in Reislingen. In neun Gruppen werden hier 170 Kinder ganztags im Early-Bird-Prinzip betreut.

Das Early-Bird-Prinzip

Kita Edith Stein / Foto: FLOW WOLF
50 % Deutsch und 50 % Englisch / Foto: FLOW WOLF

Nachdem Doris Heubach in Berlin mehrere britische Kindergärten besucht hatte, stand für sie fest: „Das will ich auch machen!“ Das britische Curriculum, also der Lehrplan, sieht das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen bereits ab dem 3. Lebensjahr vor – zwar in sehr spielerischer, aber in sehr kontinuierlicher Form. Hinzu kommt, dass man in anderen Ländern altershomogene Gruppen in Kitas hat und in Deutschland altersgemischte Gruppen. 2007 gab es die erste Early-Bird-Gruppe in der Kita Edith Stein und es dauerte nicht lange, dass alle Kinder nur noch nach diesem Prinzip ausgebildet werden sollten. Mit der ersten Gruppe kam auch die erste Native Speakerin, das heißt eine Erzieherin, die eine Sprache als Muttersprache erlernt hat – in diesem Fall Englisch. Mittlerweile gibt es in jeder Gruppe eine sehr gut Englisch sprechende Erzieherin, oftmals auch Native Speakerin plus zwei deutsche Kräfte. So arbeitet man dort zu 50 % Deutsch und zu 50 % Englisch ab dem 3. Lebensjahr.

Erzieherinnen aus aller Welt

Frühstückszeit in der Kita Edith Stein / Foto: FLOW WOLF
Frühstückszeit in der Kita Edith Stein / Foto: FLOW WOLF

Die Erzieherinnen kommen aus aller Welt, z.B. aus Venezuela oder Italien, und haben vorher bereits in anderen internationalen Kitas und Schulen gearbeitet. Doch die Hürden hierfür sind immens, erklärt Doris Heubach. Um Lehrer aus anderen Ländern in Deutschland als Erzieher anerkennen lassen zu können, müssen diese ihre Deutschkenntnisse, einen Bachelor- oder Master-Abschluss in frühkindlicher Bildung und Berufserfahrung in der Arbeit mit Vorschulkindern nachweisen können. Die Kita schreibt weltweit aus und das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Darum ist die Kita auf die Refinanzierung des Landes Niedersachsens angewiesen. Immerhin bekommen die Eltern dieses Programm für ihre Kinder zum Nulltarif. „Ein weiter und schwerer Weg“, fügt Doris Heubach hinzu. Wohl auch ein Grund, weshalb andere Kitaleitungen diesen nicht gehen. Aber es lohnt sich. Normalerweise gibt es am Ende der 4. Klasse für ca. 50 % der Schüler eine Empfehlung für das Gymnasium. „Wir haben 80 bis 95 %. Was nichts damit zu tun hat, dass die Kinder nun schlauer sind, die wir hier haben, sondern wir nutzen die Zeit anders“, erklärt die Sozialpädagogin. Denn was man wissen muss ist, dass alles, was im Gehirn bis zum 6. Lebensjahr gespeichert wurde, nie wieder verloren geht. Wenn man aber beispielsweise eine Sprache später erlernt, wird diese nur noch am Rande des Gehirns verortet und das ist der Bereich, der vergessen wird. Das heißt im Umkehrschluss, dass „wenn Schulen anfangen, ab dem 3. Schuljahr Sprachen zu lehren, ist das definitiv viel zu spät.“

Der Morgenkreis

Der Morgenkreis / Foto: FLOW WOLF
Der Morgenkreis enthält bereits die erste Lerneinheit / Foto: FLOW WOLF

In der Kita Edith Stein gibt es daher jeden Tag einen sogenannten Morgenkreis, in dem die erste Lerneinheit bereits enthalten ist. Hier geht es um Themen wie beispielsweise: Wie viele Kinder sind wir heute in der Gruppe? Was für einen Tag in der Woche haben wir? Wie ist das Wetter? Und das sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. So lernen die Kinder die entsprechenden Vokabeln, ohne dass sie überhaupt merken, dass sie lernen. Hinzu kommt, dass die Kinder von Anfang bis Ende zusammen in einer Gruppe bleiben. Nachdem sie sich einmal eingewöhnt haben, wenn sie nicht eh schon dort in der Krippe waren, kann man drei Jahre kontinuierlich mit ihnen arbeiten. Am Ende werden die Großen dann auch gemeinsam als Klasse an die Schulen übergeben. Hier arbeitet die Kita mit zwei Schulen zusammen, die dann genau dort ansetzen, wo die Kinder stehen. So brauchen sie sich in der Schule nicht mehr eingewöhnen und bringen die Grundlagen wie Buchstaben und Zahlen schon mit. Die beiden Schulen arbeiten ebenfalls mit Native Speakern, „sodass das, was wir hier drei Jahre grundgelegt haben, dann in der Schule weitergeführt wird.“

Englisch, Chinesisch, …

Kita Edith Stein / Foto: FLOW WOLF
Jede Gruppe wird nach einem Vogel benannt / Foto: FLOW WOLF

Neben Englisch bietet die Kita auch einmal die Woche Chinesisch an, denn die Zusammenarbeit mit Neurologen der Technischen Universität Braunschweig hat gezeigt, dass ein Kind problemlos vier bis fünf Sprachen im Alter bis zu sechs Jahren lernen kann. Bis sich dieses Prinzip überall in Deutschland durchgesetzt haben wird, wird es sicher noch eine Erziehergeneration dauern, sagt Doris Heubach und fügt hinzu: „Und ich muss ehrlich sagen, ich möchte nie wieder anders arbeiten.“

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