Die Geschichte Wolfsburgs l(i)eben
Es ist eine gravierende Tatsache, dass wir Menschen ohne die Liebe keine Geschichte hätten, auf die wir heute zurückblicken könnten.
Für die Liebe, das mächtige Gefühl, welches wir Menschen in uns tragen, wurden in den vergangenen Jahrhunderten bereits zahlreiche Vergleiche, Metaphern und Superlative verwendet. Nicht selten wurde die Liebe personifiziert, von ihrer Abstraktion entfernt und greifbar gemacht. Die Bildende Kunst, die Literatur, das Theater, die Musik – das sind nur wenige der vielen Künste, die der Liebe ihre Existenz verdanken. Weltberühmte Meisterwerke, wie „Der Kuss“ von Klimt oder Shakespeares Geschichte um Romeo und Julia, hätten ohne den Kontext der Liebe nicht entstehen können. Aber viel gravierender ist doch die Tatsache, dass wir Menschen ohne die Liebe keine Geschichte hätten, auf die wir heute zurückblicken könnten.
Liebesgeschichten
Es sind Liebesgeschichten, die uns Menschen zusammenhalten. Jeder von uns erlebt sie in unterschiedlichen Facetten. Jedoch kann Liebe nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen verstanden oder durch die Künste vermittelt werden. Liebe verdeutlicht sich ebenfalls in der Pflege, dem Aufbewahren sowie dem Schützen von den materiellen Dingen und vor allem von den Geschichten, die für uns Individuen von Bedeutung sind. Für die Aufbewahrung von Erinnerungen gibt es je nach Art verschiedene Orte. Einige befinden sich in uns selbst, andere werden in Kunstwerken, Museen sowie anderen Einrichtungen archiviert. Das Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation der Stadt Wolfsburg (IZS) hat die Aufgabe, die Geschichte Wolfsburgs zu pflegen, zu bewahren und zu schützen. Als Gedächtnis der Stadt hat das Institut eben diese „liebevolle“ Aufgabe.
Das IZS wurde als Stadtarchiv im Jahre 1976 gegründet. Heute gehört es zu den festen Größen in der Kultur- und Bildungslandschaft der Stadt. Das Institut kennzeichnet sich vor allem durch neuartige Vermittlungsstrategien von Kultur und Geschichte aus, die auch außerhalb Wolfsburgs für Begeisterung sorgen. Das IZS ist heute somit nicht mehr nur ein Stadtarchiv, sondern versteht sich als Kultureinrichtung mit vielfältigen Tätigkeitsfeldern. Es war Akteur von bereits zahlreichen Kulturprojekten der Stadt, wie etwa bei der Phaenomenale 2015. Im Jahr 2013 hat das IZS den „Ideenwettbewerb Kunst im Stadtbild“ ins Leben gerufen, welcher sich an Studierende und Absolventen von künstlerischen Studiengängen richtete, und im Jahr 2015 zum zweiten Mal ausgeschrieben wurde.
Das Stadtarchiv als wichtigste Aufgabe
Trotz der Weiterentwicklung des Aufgabenfeldes gehört das Stadtarchiv weiterhin zu den wichtigsten Aufgaben des IZS. Der Schwerpunkt der überlieferten Bestände liegt aufgrund der noch jungen Stadtgeschichte auf der Zeit nach 1945. Im Archiv befinden sich zurzeit ca. 16.000 Akten der Stadtverwaltung, ca. 7.000 Karten und Pläne sowie große Bestände an Foto- und Bildmaterial. Ebenfalls archiviert werden Sammlungen der Wolfsburger Lokalzeitungen, Nachlässe wichtiger Bürger der Stadt und verschiedene Sammlungen, die zu bestimmten dokumentarischen Zwecken angelegt wurden. Eine Fachbibliothek mit 5.500 Publikationen und der gesamten Primärliteratur über Wolfsburg steht den Benutzern und Institutsmitarbeitern zur Verfügung. All dies wird im IZS archiviert und sorgsam gepflegt damit es den nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.
Neben dem Stadtarchiv gehört auch die historische Forschung zu den Aufgabenbereichen des IZS. Anlässlich des 75. Geburtstages der Stadt Wolfsburg hat die Kultureinrichtung einen Forschungsschwerpunkt mit dem Thema „Wolfsburg auf dem Weg zur Demokratie – Von den Anfängen bis zur Großstadtwerdung (1945-1972)“ entwickelt. Das IZS verfolgt eine auf Transparenz basierende Arbeitsweise und versucht immer wieder, durch die Gestaltung verschiedener Programmreihen das Interesse der Wolfsburger Bevölkerung an dem Forschungsthema zu wecken und ihre Beteiligung an dem Forschungsprojekt zu fördern.
Die Funktion der Stadtpräsentation hat im IZS eine besondere Stellung. Im Jahr 2009 wurde im IZS eine digitale Bilddatenbank zur Verdeutlichung des historischen und aktuellen Stadtgeschehens eingerichtet, die in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fotografen gepflegt und weiterentwickelt wird. Darüber hinaus gestaltet und veröffentlicht das IZS Publikationen, welche die Stadt dokumentieren und sie in ihrer Geschichte darstellen, wie z. B. „Die Wolfsburg-Saga“.
Als Gedächtnis der Stadt hat das Institut eben diese „liebevolle“ Aufgabe.
Die Präsentation der Stadt und deren historischen Entwicklung erfolgt jedoch nicht allein durch Publikationen, sondern auch durch die Förderung von Kunst im Stadtbild. Damit sind Kunstwerke sowie Denkmäler gemeint, die das Stadtbild Wolfsburgs beeinflussen. Gegenwärtig befinden sich in Wolfsburg etwa 250 öffentlich zugängliche Kunstwerke, darunter Skulpturen und Wandgestaltungen sowie knapp 40 Denkmäler, welche in den unterschiedlichen Stadtteilen verteilt sind. Deren historische Verarbeitung und Bekanntmachung wird in der Öffentlichkeit gefördert und erfolgt nicht selten als Vermittlungsarbeit in Kooperationen mit Schulen.
In der 1999 errichteten Geschichtswerkstatt erfolgen ebenfalls sachliche Auseinandersetzungen mit der Stadtgeschichte. Die Geschichtswerkstatt gilt als anerkannter außerschulischer Lernort. Dabei beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler nach dem archivdidaktischen Modell „Ran an die Quellen“ aktiv mit stadtgeschichtlichen Themen. Geschichte wird dabei greifbar gemacht und direkt vermittelt. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, auf aktive Art und Weise ein reflektiertes historisches Bewusstsein durch die unmittelbare Arbeit mit historischen Quellen zu erlangen. Durch die Geschichtswerkstatt erweitert das IZS sein Verständnis von einer Kultureinrichtung zu einem Bildungsort.
Darüber hinaus bietet die Geschichtswerkstatt für verschiedene Zielgruppen Workshops, Führungen, Seminare und Vorträge zu Themen der Erinnerungskultur und dem Umgang mit der Vergangenheit im Hinblick auf die Zukunft an. Beispielsweise organisiert das IZS drei Mal im Jahr die „Kinderferienspiele“ für Grundschüler. Auf spielerische und kreative Art erkunden die Kinder in diesem freien Ferienangebot die Stadt und lernen die vielfältige Geschichte Wolfsburgs kennen.
Liebe und Geschichte muss gelebt werden
Obwohl die Liebe immer wieder in unterschiedlichen Kontexten behandelt wird, wurde sie bisher selten mit Geschichte gleichgesetzt. Dabei herrscht in beiden Fällen die Annahme, dass Liebe und Geschichte gelebt werden müssen, um ausgiebig wahrgenommen zu werden. Beide müssen direkt und unmittelbar sein, aber vor allem gilt es, sie zu beschützen und zu pflegen. Nur auf diese Weise erhalten sie eine nachhaltige Wirkung, statt nur eine kurzatmige Angelegenheit zu sein. Nur auf diese Weise kann sich aus dem natürlichen Gefühl der Liebe eine Geschichte entwickeln. Aus den vielen Liebesgeschichten entstehen wiederum ganze Lebensgeschichten, die, in historischen Epochen zusammengefasst, die Menschheitsgeschichte darstellen. Historie steht somit nicht nur für vergangene und abgeschlossene Ereignisse. Vielmehr ist sie eine Liebeserklärung an die Menschheit, denn aus der Geschichte können wir Handlungskompetenzen erschließen und Eigenverantwortlichkeit für die Jetztzeit erwerben.
Das IZS ist somit nicht nur das Gedächtnis, sondern vor allem auch das Herz von Wolfsburg.