Ein synthetisches Brummen aufwärts, Rückwärtsgang rein, rangieren, Brummen abwärts, einparken. Federleicht scheint der Container, den Verena Balogi mit dem Gabelstapler aufhebt und beim Be– und Entladen ihres LKW fast schon herumwirbelt.
Der Traumberuf
Verena Balogi arbeitet als Berufskraftfahrerin in drei Schichten bei der Gübau Logistics im JIT-Verkehr für Volkswagen. Sie fährt Autoteile ins Volkswagen-Werk, die Just-In-Time (JIT) angeliefert und praktisch sofort verbaut werden. Auch mit Unterstützung vom Gabelstapler ist das Be– und Entladen körperlich anstrengend. Die Container, ob voll oder leer, muss Frau Balogi selber zur Verladestelle ziehen und wieder wegbringen. Dabei wiegt der Container ohne Fracht stattliche 400 kg. Auch die Plane ihres LKW zieht sie unzählige Male auf und zu – nicht gerade eine Tüllgardine. „Am Anfang war das ziemlich anstrengend“, gibt sie zu. Da gab es dann auch den einen Blick oder den anderen Spruch – aber: wenn sie wirklich Hilfe brauchte, waren ihre männlichen Kollegen zur Stelle. Sie erzählt, dass erst einmal ein Fahrer einer anderen Spedition versucht hat, ihr den Beruf ernsthaft auszureden und sie lieber in einem „Frauenberuf“ gesehen hätte. Ihre Reaktion: ein Lächeln und ein Schulterzucken. Sie hat ihren Traumberuf gefunden und davon bringt sie keiner mehr ab. Man merkt, wie viel Spaß ihr der Job macht, wenn sie den LKW lädt. Die Container müssen passgenau auf die Ladefläche gestellt und fest vertäut werden – hier sitzt jeder Handgriff, jedes Teil hat seinen Platz. An der Verladestelle sind die Stellplätze genau vergeben – Leergut und Vollgut voneinander getrennt – dem Fehler wird hier möglichst wenig Spiel eingeräumt. Frau Balogi hat das alles im Griff. Auch ihren LKW, der ja praktisch ihr Arbeitsgerät ist. Neben dem Be– und Entladen des Fahrzeugs muss sie die Fracht kontrollieren, alle Fahrten dokumentieren und den LKW in Schuss halten. Dazu gehört es, den Luftdruck zu prüfen und den Ölstand sowie Kühlwasser und Adblue im Blick zu haben. Auch Sauberkeit ist notwendig – nicht nur bei den Scheiben und im Fahrerhaus, auch der Frachtraum muss besenrein sein – der Abrieb von Splitt und Staub kann dazu führen, dass sich die Ladung löst.
Wertvolle Fracht
Die ihr anvertraute Ladung ist sehr wertvoll und wichtig für die Autoproduktion bei Volkswagen. Wenn keine Teile da sind, kann nicht gebaut werden und wenn die Linie steht, wird es für alle Beteiligten teuer. Das System ist so ausgeklügelt, dass immer Puffer bereitsteht, kein Container steht unnötig lange leer herum – alles ist im Kreislauf. Zwei bis drei Touren pro Schicht. Das ist der Arbeitsalltag von Verena Balogi. Sie ist eine zierliche Frau mit langen, blonden Haaren – und Power für sich, ihre vier Kinder und den LKW. „Oft schauen die Leute schon überrascht oder auch mal eher missgünstig, wenn sie sehen, wer da aus dem Fahrzeug steigt“, grinst sie und zuckt wieder mit den Schultern. Damit kann sie umgehen, denn sie weiß ja, dass sie ihren Job kann. Der Weg dahin war nicht schnurgerade wie eine Autobahn. Nach einer Lehre zur Zahnmedizinischen Fachangestellten kamen auch schon die Kinder, und weil ihr schnell klar war, dass sie nicht in ihrem Beruf arbeiten möchte, ging es zur Post und in den Einzelhandel. Begeistert von Autos, Motoren und Technik war sie schon immer. „Ich habe nicht mit Puppen gespielt – Chemie, Mathe und praktisches Werken waren mehr mein Ding“, erzählt sie. Ihren Herd hat sie allein angeschlossen und in der Wohnung gibt es keine Reparatur, die sie nicht selber erledigt. Vor zwei Jahren entschloss sie sich, die Umschulung zur Berufskraftfahrerin zu machen – sie wollte endlich ihren Traumberuf. Was genau ist denn so gut an ihrem Job? „Ich liebe einfach die Fahrzeuge – je größer, desto besser. Die Geschwindigkeit und dass ich dieses große Fahrzeug unter Kontrolle habe. Ich bin gern unterwegs und finde es sehr gut, dass ich eigenverantwortlich meine Schichten fahren kann – ich kann ganz gut allein sein.“ Sehr viele direkte Berührungspunkte mit Kollegen gibt es während der Schicht nicht. Die Fahrer absolvieren ihre Runden eigenständig – der Fahrer, die Fracht, das Fahrzeug. Trotzdem kennt man sich auf der JIT-Linie und es wird viel gegrüßt und kurz geplauscht. Tatsächlich macht das Fahren und Beladen nur einen kleinen Teil der Arbeitszeit aus. Warten ist an der Tagesordnung: auf den Kollegen (es darf immer nur ein Fahrer pro Halle ins Werk fahren), auf den Gabelstapler, auf neue Teile.
Planbare Eigenverantwortung
An ihrem Job schätzt Verena Balogi neben der Eigenverantwortung und dem Fahren auch ihr Team und ihren Fuhrparkleiter. Bei vier Kindern kann es schon mal vorkommen, dass sie eher gehen muss – das ist hier kein Problem. Auch ein Vorteil: Schichtende ist auch wirklich Ende. Sie kann gut planen und hat einen verlässlichen Tagesablauf. Und da ist sie wie alle berufstätigen Mütter: der Job ist wichtig für das eigene Selbstverständnis – aber die Kinder sind immer das Wichtigste im Leben. Stellt man sich zum Vergleich jetzt einen typischen Frauenberuf vor – Arzthelferin oder Friseurin – kommt man schnell darauf, dass diese beiden Berufe nicht unbedingt einen planbaren Feierabend haben und unter Umständen auch stressiger sind: viele Kunden oder Patienten mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, enge Terminpläne, die sich gern nach hinten verschieben – das kann stressig werden, weil man in kurzer Zeit auf unterschiedlichste Anforderungen reagieren muss. Das muss Verena Balogi auch, aber irgendwie hat sie das Lenkrad dabei selbst in der Hand.