Die neue Ausstellung Punti di vista – Benno Wundshammer und die ersten „Gastarbeiter“ in der Volkswagenstadt (1962) in der Städtischen Galerie befasst sich mit den ersten italienischen Gastarbeitern in Wolfsburg, dem Volkswagenwerk und wie diese die Stadt Wolfsburg mit der Zeit geprägt haben. Benno Wundshammer lebte von 1913 bis 1986, war Pressefotograf und arbeitete im Laufe seiner Karriere als Chefredakteur der Propagandazeitschrift Signal. Seine Reportage aus dem Jahr 1962 über die italienischen Arbeitskräfte „Brauchen wir denn wirklich die Italiener?“ war das erste Motiv für die schlussendliche Umsetzung der nun stattfindenden Ausstellung in der Städtischen Galerie. Das Schriftstück liegt dort nicht nur aus, seine verfassten Texte sind zudem in der ausliegenden Zeitschrift „Das Archiv. Zeitung für Wolfsburger Stadtgeschichte“ nachzulesen. Darin finden sich Hintergrundinformationen, zahlreiche Fotografien der Ausstellung sowie Fotografien von Wundshammers handschriftlichen Notizen. Die Reportage wird durch die ausgestellten schwarz-weiß Bilder – die teilweise im Original zu bestaunen sind – untermalt und lässt nicht nur die in Wolfsburg ansässigen Italiener in eine nunmehr fast vergessene Zeit eintauchen. Unterstützt werden die Werke dabei durch zwei verschiedene Audiostationen, an denen man die Welt der sogenannten ersten Italiener in Wolfsburg noch näher wahrnehmen kann. Die Ausstellung ist in einer Zusammenarbeit bestehend aus der Städtischen Galerie Wolfsburg, dem Institut für Zeitgeschichte, der Italienischen Konsularagentur Wolfsburg sowie der bpk-Bildagentur und mit der Unterstützung des Lüneburgischen Landschaftsverbandes entstanden. Die offizielle Eröffnung fand am Samstag, dem 31.08.2019 im Gartensaal im Schloss Wolfsburg statt und lud das Publikum zu verschiedenen Angeboten, wie einer Tanzperformance oder – in Anlehnung an die italienische Gastfreundschaft – einem Imbiss der Jugend in der Galerie, ein. Bis zum 03.11.2019 kann man in den Genuss des vielseitigen Programms kommen.

Eine andere gleiche Zeit

Barbara Tarullo, Dennis Weilmann, Susanne Pfleger, Anita Placenti-Grau, Alexander kraus, Dora Balistreri (von links nach rechts) / Foto: FLOW WOLF
Barbara Tarullo, Dennis Weilmann, Susanne Pfleger, Anita Placenti-Grau, Alexander Kraus, Dora Balistreri (von links nach rechts) / Foto: FLOW WOLF

Benno Wundshammer hat während seiner Reportage und seiner Zeit in Wolfsburg die unterschiedlichsten Stimmen einfangen und persönlich mit den Wolfsburgern sprechen können – seine dazu passenden Fotografien lassen sein eingefangenes Bild der Menschen noch lebendiger wirken und allgegenwärtig erscheinen. Aufgrund seiner eigenen Geschichte als Propagandafotograf, geben die vorrangig negativ dargestellten Momentaufnahmen Rückschlüsse auf Wundshammer selbst. In seinen Fotografien zeigt er verschiedene Momentaufnahmen: von der Ankunft der Italiener in Wolfsburg und ihrem Aufbruch ins sogenannte Italienerdorf bis zu der Darstellung der braven Arbeiter bei VW. Er setzt sprachliche Akzente, durch die er seine Reportage zu einem rhetorisch interessanten Schriftstück gemacht hat. Auf den ersten Blick mag die thematische Relevanz nicht mehr von der gleichen Wichtigkeit sein, doch zeigt sich die Aktualität des Themas heute stärker denn je. Auch in der heutigen Gesellschaft sind die Themen wie Gastarbeiter, deren Einwanderung und die noch fremden Kulturkreise von Bedeutung. Wolfsburg hat sich seit Anfang der 90er Jahre in einem stetigen Prozess der Italianisierung befunden, wurde dadurch als Stadt selbst beeinflusst und heute sind die Italiener gar nicht mehr aus Wolfsburg wegzudenken. In der Ausstellung zeigen sich besonders die Anfänge dieser Geschichte und beleuchtet dabei unterschiedliche Aspekte. Auch die heute in Wolfsburg lebenden Italiener hatten die Möglichkeit, ein Teil dieser Ausstellung zu werden und selbst als aktive Akteure mitzuwirken. Währenddessen können sie ihre eigene Geschichte mit in die Darstellungen einfließen lassen und auf ihre persönlichen Blickwinkel hinweisen. Dazu gibt es in der Ausstellung nicht nur die Fotografien von Benno Wundshammer zu bestaunen, sondern auch jene privaten Fotografien, die die Wolfsburger Italiener mit einbringen wollten. Der Projektraum, den es innerhalb der Ausstellung zu sehen gibt, lässt diese individuellen und persönlichen Stimmen zu Wort kommen und bietet die Besonderheit, dass die dort ausgestellten Fotografien zwischendurch ausgewechselt werden. Hier gibt es somit stets etwas Neues zu entdecken.

Inszenierte Authentizität oder authentische Inszenierung?

Einer der Ausstellungsräume / Foto: FLOW WOLF
Einer der Ausstellungsräume / Foto: FLOW WOLF

Innerhalb der einzelnen Fotografien ist die Inszenierung der Italiener ein ständiger Zeitgenosse. Neben der authentischen Darstellung der fotografierten Personen geht es darin natürlich auch um Wundshammers Vorstellung von den späteren Bildern. Zu sehen gibt es Bilder, die während der Freizeit entstanden sind und die Italiener beim Musizieren oder Sport treiben zeigen. Denn auch für Wundshammer selbst hat die Musik eine große Bedeutung gehabt. Somit ließ er diese auch in seine Arbeit und die Reportage einfließen. Er zeigt verschiedenste Momentaufnahmen, die einen ersten Eindruck dieser Zeit abbilden. Seien es die Männer beim gemeinschaftlichen Kochen oder die vertraute Darstellung der Personen auf den Bildern – Wundshammer hat gemeinsame Momente eingefangen. Dabei sollte nicht unbeachtet bleiben, dass nicht alle Bilder wie spontane Momentaufnahmen scheinen und zumindest ein Teil der auf den fotografierten Darstellungen inszeniert wurde. Immer auf der Suche nach einer perfekten Positionierung sind Bilder entstanden, bei denen man sich fragt, ob Wundshammer hier selbst ein bisschen nach gespielter Spontanität greift oder sich die Italiener vielleicht sogar selbst gerne genauso inszeniert haben. In der Ausstellung kann man sich somit während des Bilderbetrachtens fragen, inwieweit darin Inszenierungen vorhanden sind. Fand sie statt oder nicht? Sind die Bilder gestellt oder hat man eine spontane Momentaufnahme vor sich? Diese Fragen lassen sich bei jedem einzelnen Bild stellen und schaffen es so, sich die Entstehungszeit der Fotografien vor Augen zu führen, um zu einem ganz persönlichen Schluss zu kommen.

Eine der Fotografien inklusive Wundshammers Anmerkungen / Foto: FLOW WOLF
Eine der Fotografien inklusive Wundshammers Anmerkungen / Foto: FLOW WOLF

Infobox

Alle weiteren Termine, die bis zum 03.11.2019 stattfinden, findest du hier.

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