Eigene Ideen realisieren

Direkt von der Hattorfer Hauptstraße führt eine schmale Straße zur Plantage 86. An der Haustür wird man von einem bunten Schild mit der Aufschrift „Raum zum Wachsen e.V.“ begrüßt – man kann sich somit gar nicht verlaufen. Es gibt eine Klingel, aber der Schlüssel steckt in der Tür. Im Haus werde ich von sehr viel Herzlichkeit und Gemütlichkeit empfangen. Im Wohnküchenzimmer wartet Tim Fahse, der Mitgründer und die Idee hinter dem „Raum zum Wachsen“, auf mich. Er veranschaulicht mir auch gleich das Konzept der Plantage, denn meinen Tee mache ich mir hier selbst.

Zurück in die 80er Jahre

Plantage 86
In der Plantage 86 wird vieles selber hergestellt. /Foto: FLOWWOLF

Tim Fahse hatte immer die Vorstellung zurück in die 80er Jahre zu gehen – gemeinsam Kirschen zu klauen und auf der Straße zu spielen. Doch diese Idee war in der heutigen Gesellschaft nicht mehr denkbar. Kinder gehen auf Ganztagsschulen und ihre Eltern arbeiten bis 19 Uhr, man kommt nur noch zum Abendessen zusammen. Doch Tim Fahse wollte wieder zu dieser früheren Lebensweise zurück und hat sich ein passendes Konzept dafür überlegt. Immer mit der Frage: Wie müsste man zum Glücklichsein leben? Aus dieser Idee hat sich 2010 schließlich der Verein „Raum zum Wachsen e.V.“ mit 12 Mitgliedern gegründet. 2011 fanden die ersten Aktionen statt. 2013 war der Verein auf 80 Mitglieder gewachsen und machte sich auf die Suche nach einem eigenen Vereinszuhause. Tim Fahse erläutert: „Wir wollen Menschen zusammenbringen. Egal ob Jung oder Alt, die sich treffen und vielleicht gemeinsam Kuchenbacken oder einfach nur quatschen.“ Durch einen glücklichen Zufall fanden sie die alte Gärtnerei mit 6.000 Quadratmetern, in der sie noch heute sind. Ohne einen sozialen Investor hat Brigitte Fahse, die den Verein auch mitgründete, die Finanzierung selbst in die Hand genommen. Sie folgte schon damals ihrem Leitspruch: „Wenn wir es nicht machen, dann macht es keiner.“ Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat sich der Verein auf 435 Mitglieder vergrößert.

Zusammenhalt ist wichtig

Gemeinschaft ist eine wichtige Komponente. /Foto: FLOWWOLF

Sobald hier jemand eine Idee für Projekte hat – wie zum Beispiel das Anlegen eines Bolzplatzes oder einen Pizzaofen zu bauen –, kümmert sich der fünfköpfige Vorstand um Fragen, wie die Finanzierung oder die Realisierbarkeit neben den bestehenden Projekten. Sei es ein Igelbeet oder ein Schreikurs für Kinder. Jeder kann sich eingeladen fühlen, hier seine eigenen Ideen zu realisieren, solange sie gemeinwohlorientiert sind. Die einzige Voraussetzung: man muss es Selbermachen. Neben eigenen Ideen sind es besonders die alltäglichen Aufgaben, die übernommen werden müssen. Tim Fahse erklärt: „Im Grunde kann man hier alles Selbermachen. Vom Staubsaugen bis zum Spinnen jagen – wir leben vom Selbermachen unserer Mitglieder. Das ganze Projekt rund um den Raum zum Wachsen ist selbstgemacht.“ Das merke auch ich während unseres Gesprächs: Von oben hört man die Kinder toben, man unterhält sich unten im Wohnküchenzimmer und Bernd Fahse fängt an Staub zu saugen. Neben den Aufgaben im Haus, gibt es auch saisonale Nachmittagstermine, wie Himbeeren pflücken, Apfelbäume schneiden oder Laub harken. Die Zusammenarbeit wird dabei großgeschrieben.

Menschen glücklich machen

Mitgründer Tim Fahse ist Gemeinschaft sehr wichtig. /Foto:Flowwolf

Beim gemeinschaftlichen Mittagessen am Freitag wird ab 10 Uhr zusammen Gemüse geschnitten, gekocht und im Anschluss gemeinsam gegessen. „Wir sind hier, um Menschen glücklich zu machen“, und das ist zu spüren. Man hat das Gefühl in einer großen trubeligen Familie gelandet zu sein. Es gibt immer Kaffee oder etwas zu essen. Heute stehen Kuchen und Plätzchen bereit. Das Selbermachen folgt hier keinem Zwang, sondern vielmehr dem eigenen Stimmigkeitsgefühl. Tim sagt: „Wenn man beim Selbermachen ein Stimmigkeitsgefühl entwickelt, dann ist es gut.“ Dadurch dient das Selbermachen auf der Plantage auch keiner Optimierung, sondern dem stimmigen Gefühl in sich selbst. Denn hier kann man einfach sein. Sein wie man ist.

Für die Zukunft sind natürlich weiterhin Projekte geplant, die hier realisiert werden sollen. Denn eins ist auf jeden Fall deutlich geworden: Der Raum zum Wachsen ist ein Raum, in dem man persönlich und in der Gemeinschaft wachsen kann. 

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