Jedem, der schon einmal mit offenen Augen durch den Schachtweg gegangen ist, wird der kleine Schaukasten an der Ecke Kleiststraße aufgefallen sein. In ihm sind Kunstwerke bzw. Installationen ausgestellt. Doch welcher Künstler verbirgt sich dahinter?

Den Kunsthype auf die leichte Schulter nehmen

Mitglieder des Kollektivs
Myriam Menzel und Silke Baumert sind Mitglieder des Kollektivs. /Foto: FLOWWOLF

Es ist nicht nur ein Künstler, es ist ein ganzes Kollektiv. Bestehend aus Silke Baumert, Myriam Menzel, Jeroen Boonstra, Julius Hahn, Titus Bergmann und dem Initiator des Ganzen, Jost Körfer. Ihm und Titus Bergmann fiel beim gemeinsamen Gassi gehen mit Mops Lotte vor einigen Jahren der leerstehende Schaukasten auf. In dem letzten von ursprünglich vier Schaukästen war lange ein Stadtmodell Wolfsburgs ausgestellt. Nachdem das Kollektiv die Zusage von der Stadt bekam, konnte die „Kleinste Galerie Norddeutschlands“, wie sie liebevoll von dem Künstlerkollektiv genannt wird, seine ersten Ausstellungen präsentieren. Der Schaukasten Wolfsburg setzt sich allerdings nicht nur durch seine Größe von anderen Kunstgalerien ab. Jedes Mitglied des Kollektivs hat bei den Ausstellungen eine immer wechselnde Rolle. „Bei uns läuft alles ein bisschen spielerischer ab. Jemand ist Direktor, ein anderer Kurator oder Koordinator. Wir haben einen inspirierenden Freiraum und müssen uns nicht an vorgegebene Leitlinien halten“, sagt Myriam Menzel im Interview. „Wir nehmen den Kunsthype auf die leichte Schulter. Der ironische Blick auf die Kunstwelt zeichnet den Schaukasten aus“, betont sie. Und dieser ironische Blick scheint auch das Erfolgsgeheimnis zu sein. Die erste Ausstellung, die größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, war ASCII-Art. „Hierbei handelt es sich um Bilder, die nur aus ASCII-Zeichen bestehen. Ein Bild davon war die Mona Lisa, die in Richtung des Hallenbads hing. Bis heute ist die Seite des Schaukastens, die dem Hallenbad zugewandt ist, als Mona-Lisa-Seite bekannt“, erklärt Kollektivmitglied Myriam Menzel stolz. Auch sonst sind die Ausstellungen häufig von Alltagskunst geprägt. „Schön ist, wenn die Vorbeigehenden den künstlerischen Aspekt entdecken“, sagt sie.

Schaukasten in Wolfsburg
Der Schaukasten ist für jeden frei zugänglich. /Foto: Schaukasten Wolfsburg

Doch es steckt viel mehr Arbeit hinter so einer Ausstellung, als es im ersten Moment scheint. Da alle Mitglieder des Kollektivs einem geregelten Job nachgehen, finden die Absprachen untereinander meistens per Telefon oder WhatsApp statt. „Das ist alles sehr unorthodox und von Spontanität geprägt“, erklärt Silke Baumert. Wenn organisatorisch alles geklärt ist, treffen sich alle, die es zeitlich schaffen, bei Jost Körfer im Wohnzimmer. Dort befindet sich eine Abklebung mit der exakten Maße des Schaukastens. „Dann wägen wir erstmal ab und schauen, welche Ausstellungsstücke überhaupt in den Schaukasten hineinpassen. Wir lassen uns dabei von unserer Umwelt inspirieren und gehen mit offenen Augen durchs Leben“, so Baumert weiter. Wenn dann alles besprochen, geplant und erfolgreich im Schaukasten installiert ist, kann die feierliche Eröffnung stattfinden. „Wir kaufen dann immer Champagner vom nahegelegenen Supermarkt. Den trinken wir dann gemeinsam mit Interessierten und Passanten, die auf unseren Schaukasten aufmerksam geworden sind. Das ist fast schon eine kleine Tradition“, erzählt Silke Baumert lachend. Die Zahl der Besucher, die zu den Ausstellungseröffnungen kommen, variiert dabei zwischen 2 und 20. Ein sehr großer Erfolg war die zweiteilige Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Künstler Julian Behm. Der HBK-Abgänger hatte einen Teil seiner Ausstellung „The Things we lost in the Fire Fire Fire“ auf der Rückseite des Hallenbads und die andere im Schaukasten ausgestellt. Zur Eröffnung kamen über 40 Studenten, das Interesse war riesig. „Viele Studenten haben sich daraufhin bei uns gemeldet und gefragt, ob sie auch bei uns etwas ausstellen dürfen. Das hat uns natürlich sehr gefreut“, erinnert sich Myriam Menzel.

„Sehnsucht. Freiheit. Gegensatz.“ So beschreibt Kollektivmitglied Silke Baumert die aktuelle Ausstellung Stiller Winter (Sehnsucht Part I). Sie zeigt verschneite Aufnahmen der Alster. Der Kontrast entsteht hierbei dadurch, dass die Ausstellung im Sommer eröffnet wurde, wo in Deutschland über 30 Grad herrschten. „Der Mensch sehnt sich immer nach dem, was er gerade nicht haben kann“, sagt Baumert lächelnd. Und es ist auch schon eine „Sehnsucht II“-Ausstellung geplant. Diese soll dann genau das Gegenteil von der „Sehnsucht I“-Ausstellung sein.

Jeder kann mitmachen

Schaukaste im Schachtweg in Wolfsburg
Die Eröffnung einer neuen Ausstellung ist immer ein Highlight. /Foto: Schaukasten Wolfsburg

Der Schaukasten Wolfsburg ermöglicht einen völlig neuen Blick auf die Kunstwelt. Besucher haben die große Freiheit, sich die Ausstellungsstücke zu jeder Tageszeit kostenlos anzuschauen. Über die Homepage des Schaukastens kann man auch mit den Machern in Kontakt treten. „Die Art und Weise wie wir vorgehen macht Lust, selber aktiv zu werden. Man muss einfach seine selbstgestellten Hürden überwinden. Raus aus der Arbeitswelt und rein ins Kreative“, ermutigt Myriam Menzel. Aber auf was kann man sich in Zukunft freuen?

Außer der Sehnsucht II Ausstellung steht noch nichts sicher fest. „Bei uns ist das eher überraschend. Die Themen finden eher uns, als dass wir sie finden“, sagt Silke Baumert schmunzelnd. „Wir wünschen uns, dass der Schaukasten so kommerziell frei bleibt. Er soll immer ein Ort bleiben, wo sich Kreativität entfalten kann“, sagt Myriam Menzel. Man darf also gespannt sein, was sich das Künstlerkollektiv in der Zukunft einfallen lassen wird. 

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